Bekentnisse eines Vatanforoosh*: Ein Nachtrag

Geehrte LeserInnen!

Meine Polemik letzter Woche führte dazu, dass gewisse iranische Oppositionelle mich dafür kritisierten. Welche Überraschung! Deshalb möchte ich dazu ein paar Gedanken nachtragen und in diesen auf die Kritik mir gegenüber eingehen.

Zuallererst: Ich werde weiterhin auf meinem Blog kritisieren, wen und was ich will. Schliesslich ist dies mein Blog und wenn ich hier die iranische Opposition kritisieren will, dann tue ich das auch. Mir nun mangelnde Loyalität gegenüber der leidenden Bevölkerung des Iran vorzuwerfen, ist, gelinde gesagt, lächerlich! Auch und gerade deshalb weil ich mich für eine Nicht-Iranerin sehr engagiere. Meine Loyalität hingegen gehört Staaten, die mir meine Menschen- und Bürgerrechte garantieren können und nicht einem gescheiterten Imperium. Ich schulde dem Iran gegenüber keine Loyalität und wie bei den meisten Menschen kann man meine Loyalität nicht erzwingen. Wie ich schon im vorherigen Beitrag geschrieben habe, bin ich als Jüdin nunmehr angeödet ständig über Kyros den Grossen belehrt zu werden, als ob die Befreiung von uns Juden aus babylonischer Gefangenschaft es für die Perserreiche legitimieren würde, für die darauffolgenden 2500 Jahre eine Politik aus Fratrizid, Ethnozid und Versklavung zu praktizieren.

Wenn nun heute iranische Oppositionelle sagen, dass die Grenzen von Georgien nicht in Stein gemeisselt seien, sprich Verhandlungssache sind, und offen von einer «iranischen Konföderation, die vom Hindukusch bis nach Derbent und Lazestan reicht,» träumen, so ist das ein Problem, das gelöst werden muss. Und damit meine ich explizit nicht die Auflösung von Georgien als unabhängige Republik! Sondern den Grössenwahn bei Teilen der antiklerikalen Opposition des Iran, der aus historisch gewachsenem persischem Chauvinismus und Irredentismus gespeist wird. D.h. die antiklerikalen Oppositionellen, für die der Glaube an die Wiederauferstehung des Persischen Reiches eine Art säkulares Substitut für Religion ist, sollten sich eine neue Erlösungsideologie suchen.

Mir nun einerseits damit zu drohen, dass der Iran nach einem Regime-Change, Georgien einverleiben wird, und andererseits zu sagen, dass diese Okkupation von georgischem Territorium durch Perser anders sein wird, ist erstens hochgradig schizophren und zweitens absolut unlogisch, denn nur komplette Idioten wiederholen die gleiche Prozedur immer wieder und erhoffen sich unterschiedliche Ergebnisse. Im Fall der Wiederauferstehung des Perserreiches finde ich es grobfahrlässig von Teilen der iranischen Opposition, dass diese quasi bereit ist, irredentistische Luftschlösser auf den Gräbern meines Volkes zu errichten. Es ist unverschämt und historisch nicht zutreffend, dass der Iran und Georgien Teil derselben Nation sind und vor der Islamisierung des Iran durch Araber die gleiche Sprache und Kultur hatten. Das stimmt schlicht und ergreifend nicht! Georgisch ist eine kartvelische Sprache und Persisch ist eine indo-europäische Sprache, die mehr mit dem Polnischen verwandt ist, als mit Georgisch.

Georgien war übrigens mehrheitlich christlich lange bevor die Perser von den Arabern zum Islam (zwangs-)konvertiert wurden und Zoroastrismus war zu keinem Zeitpunkt im Kaukasus die Religion irgendeiner Bevölkerungsmehrheit. Es ist besonders erbärmlich, wenn antiklerikale Oppositionelle, aus lauter Verzweiflung, mich nun als «Vatanforoosh*» und «Aniran**» beschimpfen oder versuchen, mit halbgaren Fakten aufzutrumpfen, warum es doch eine gute Idee sei, das Persische Reich wiederauferstehen zu lassen, wie zum Beispiel der Tatsache, dass Schah Abbas der Erste zwei georgische Frauen gehabt habe. Die hat er tatsächlich gehabt, eine davon, Prinzessin Marta von Georgien, hat er geheiratet, als diese 12 Jahre alt gewesen ist und nachweislich vor ihrer ersten Periode. Diese Ehe hat Schah Abbas erzwungen, indem er drohte Tbilisi wiederanzuzünden, wie er dies schon einmal getan hatte. Im übrigen hat Schah Abbas der Erste die Mutter von Prinzessin Marta, Königin Ketevan, zu Tode foltern lassen, weil Königin Ketevan sich geweigert hatte zum Islam zu konvertieren. Schah Abbas der Erste liess auch den Bruder seiner anderen georgischen Ehefrau, Prinzessin Tinatin/Peri Lala, mit einer Bogensaite strangulieren.

Aber das waren nicht die einzigen Schandtaten des Schahs auf georgischem Boden: Nicht nur liess Schah Abbas Tbilisi brandschatzen, er tat dasselbe auch mit der Ikalto-Akademie, neben der Gelati-Akademie, dem Zentrum von Georgiens Aufklärung und dem kulturellen Herzstück von Georgiens goldenem Zeitalter. Der gleiche Schah Abbas liess übrigens auch Echtmiadzin, die wichtigste Kathedrale der armenischen Christenheit plündern und die dortigen Ikonen und Reliquien nach Isfahan ins persische Kernland schaffen. Schah Abbas wollte die Träume der Armenier von einer Rückkehr in ihre Heimat zerstören und liess deshalb im Exil in Isfahan die Vank-Kathedrale errichten. Nun mit der Vank-Kathedrale zu prahlen und dieses Bauwerk als Zeichen einer angeblichen Toleranz gegenüber der kaukasischen Völker zu verwenden, ist etwas gar bizarr.

Als Letztes möchte ich noch anmerken, dass Schah Abbas den Safawiden angehörte. Denn ein rhetorisches Kunststück, das viele irredenstische Perser verwenden, ist, dass sie anerkennen, dass die Dynastie der Qajaren grausam gegenüber den kaukasischen Völkern waren und dies bei allen anderen Herrscher-Dynastien der Perserrreiche verleugnen. Dabei ist es so, dass die persische Okkupation des Kaukasus alleine in der georgisch-orthodoxen Kirche für mehr Märtyrer gesorgt hat als der Stalinismus. Schlicht und ergreifend deshalb, weil die persischen Schahs mehr Zeit für ihre Schandtaten hatten als Genosse Stalin. Angefangen hat diese Okkupation mit den Sassaniden und der Ermordung von christlich-orthodoxen Märtyrern wie Eustachius von Mtskheta und der heiligen Shushanik.

Wer mit solchen Leichen im Keller darauf besteht, wieder Georgien zu okkupieren, hat offensichtlich nichts aus der Geschichte gelernt. Marx sagte einst, dass sich Geschichte wiederholen würde, zuerst als Tragödie, dann als Farce. Der irredentistische Teil der antiklerikalen Opposition ist dabei, Teil dieser Farce zu werden.

Abschliessend sei gesagt, dass ich den unter persischen Opppositionellen verbreiteten Irredentismus für ein Hindernis für einen potentiellen Regime-Change und echten Fortschritt im Iran halte und damit für einen der Hauptgründe für die weitere Herrschaft des korrupten und islamo-faschistischen Regimes der Statthalterschaft der Gelehrten.

 

*Vatanforoosh bedeutet auf Persisch «Landesveräter» und so nennen mich Iraner, weil ich als Georgierin nicht auf Georgiens Unabhängigkeit verzichten will, kein Farsi spreche, mich der persischen Kultur nicht zugehörig fühle und nicht bereit bin, für den Iran zu sterben. Den Iranern, die in mir deshalb eine Landesverräterin sehen, sei gesagt: «Dissent is the highest form of Patriotism» (dt. Dissens ist die höchste Form des Patriotismus).

**Ein «Aniran» ist ein Nicht-Arier/Nicht-Iraner, sprich jemand der türkischer oder kaukasischer Herkunft ist und nach Ansicht vieler Iraner deshalb primitiv und verräterisch.

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