Bekenntnisse eines Vatanforoosh: Nachrichten aus dem Land der Tausendundeinen Verschwörungstheorie

Geehrte LeserInnen!

Es ist mal wieder an der Zeit, dass ich mich mit dem Iran, dem Land der Tausendundeinen Verschwörungstheorie befasse, und das hat seine Gründe. Nämlich die Tatsache, dass Verschwörungstheorien sich bei Iranern und Iranerinnen grosser Beliebtheit erfreuen, um damit verschiedenes Unglück zu erklären, dass den Iran heimgesucht hat. Aktuelle Beispiele sind der Politikwissenschaftler und Oppositions-Aktivist Amir-Abbas Fakhravar, der allen ernstes behauptet hat, dass Farah Diba, die Gemahlin des letzten Monarchen des Iran, eine KGB-/FSB-Agentin gewesen sei, die den ehemaligen König vergiftet habe, weil dieser immer noch Soraya geliebt haben soll. Ein anderes Beispiel ist der Blogger Hossein Derakhshan, der auf Twitter die beiden Frauenrechtlerinnen Roya Hakakian und Masih Alinejad und deren Kampagne «United4Navid», die für den Boykott des Regimes der Islamischen Republik Iran bei internationalen Sportwettbewerben kämpft, beschuldigt von Benjamin Netanyahu gesteuert zu sein. Eine zynische Behauptung, die obendrein nicht nur offensichtlich antisemitisch, sondern auch zu gleichen Teilen misogyn ist, weil impliziert wird, dass iranische Frauenrechtlerinnen von sich aus keine Kampagne auf die Beine stellen können, sondern dass im Hintergrund irgendein Jude, in diesem Fall der israelische Premierminister, agiert und agitiert.

Aber das sind nur die neusten Beispiele einer traurigen Tradition innerhalb der iranischen Gemeinschaft, sowohl im Iran selber, wie auch im Exil. Es ist nämlich absolut nicht dienlich, wenn man für die schreckliche Situation, in welcher der Iran derzeit ist, konstant fremde Mächte und ethnische und religiöse Minderheiten als Sündenböcke benutzt. Ich kann mich noch genau erinnern, wie mir einst ein Iraner erklärte, dass Alexander der Grosse schuld an der schrecklichen Situation sei, in welcher der Iran nun stecke, weil Alexander der Grosse anno dazumal Persepolis abgefackelt hat. Als ich ihn dann daran erinnert habe, dass Agha Muhammad Khan vor weniger als 300 Jahren Tbilissi brandschatzen liess, aber deshalb niemand dieser Tage in Georgien an Baukränen erhängt wird, wurde ich als «Vatanforoosh» (dt. Landesverräter) und «Gendeh» (dt. Hure) beschimpft. Dieses Muster wonach fremde Mächte und verschiedene Minderheiten an den Misserfolgen des Iran schuld seien, ist demzufolge für mich nichts Neues. Die Tatsache, dass dieser Hang zu Verschwörungstheorien nicht tot zu kriegen ist, ist meiner Ansicht nach extrem beunruhigend. Denn dieser Hang zu Verschwörungstheorien und der damit einhergehenden Tatsache, dass Minderheiten zu Sündenböcken degradiert werden, ist ein echtes Hindernis für effektiven Progress. Wie man an der Tatsache erkennen kann, dass das Henkerregime der Islamischen Republik immer noch an der Macht ist.

Dies ist ganz offensichtlich nicht die Schuld von Alexander dem Grossen, den Türken, den Kaukasiern, den Arabern, den Russen, den Juden oder Farah Diba, es ist die Schuld einer iranischen Bevölkerung, die mit dem Finger auf andere zeigt und diesen die Schuld gibt, anstatt in den Spiegel zu schauen und sich in Demut und Selbstkritik zu üben. Stattdessen geht man mit einer durch diese Verschwörungstheorien angefeuerten Erwartungshaltung hausieren, und erwartet von eben jenen Fremden und Minderheiten, die man noch vor einer Minute beschuldigt hat, für alle Unbill, die den Iran je heimgesucht hat, verantwortlich zu sein, für den Iran ihr Leben zu lassen. Mir persönlich wurde schon oft von säkularen (!), gut gebildeten Iranerinnen und Iranern gesagt, dass, weil ich als «Ghafghazi» (Kaukasier/Kaukasierin/kaukasisch) eine «Aniran» (Nicht-Arier/Nicht-Arierin) bin, mein einziges Recht in diesem Leben sei, für den Iran zu sterben. Es kann nicht angehen, dass die Taten von Alexander dem Grossen oder auch von dem, was vor über 50 Jahren gewesen ist, bis heute als Entschuldigungen dafür herhalten müssen, warum der Iran heute in dieser Situation ist, die man als alles andere als schön bezeichnen kann.

Mir ist bewusst, dass ich inzwischen wie eine kaputte Schallplatte klinge, aber der Fakt, dass eine solche Regression Urstände feiern kann, bereitet mir offen gestanden Kopfschmerzen. Trotzdem befasse ich mich regelmässig mit dieser Tragödie, weil mir die Menschen im Iran enorm leidtun und ich will, dass das Regime der Statthalterschaft der Gelehrten auf dem Müllhaufen der Geschichte landet. Dies aber gestaltet sich schwierig, wegen genau solchen Verhaltens innerhalb der iranischen Gesellschaft. Es ist deshalb ein unendliches Trauerspiel, dessen Zeugen wir alle werden.

Dazu möchte ich noch anfügen, dass mir natürlich bewusst ist, wie unmenschlich und brandgefährlich das klerikal-faschistische Henkerregime der Islamischen Republik ist. Aber der Fakt, dass es noch da ist, ist nicht nur der verfehlten Aussenpolitik europäischer Staaten gegenüber der Clique der Machthaber in Teheran geschuldet, sondern auch der Unfähigkeit der Iraner selber. Somit ist für mich klar, dass so lange sich das Verhalten der Iranerinnen und Iraner gegenüber ihren regionalen Nachbarn, Fremden allgemein und Minderheiten innerhalb des Iran nicht ändert, und sie eben damit beschäftigt sind, die Schuld bei allen anderen zu suchen, es keinen Regime-Change geben kann. So traurig diese Tatsache auch ist, ist sie leider ein Faktum, das sich in der nunmehr 41-jährigen Terrorherrschaft der Mullahs zeigt.

Genau deshalb nehme ich mir die Freiheit, sowohl Regime der Statthalterschaft der Rechtsgelehrten und deren Anhängerschaft, als auch eine Opposition, die ihr offensichtliches Versagen mit Verschwörungstheorien erklärt und Zuflucht im imperialistischen Grössenwahn nimmt, zu kritisieren. Dies tue ich solange, wie es mir beliebt, und wie die Verhältnisse in Teheran sich nicht ändern. Das bedeutet, dass Sie bald wieder etwas in dieser Art von mir lesen können.

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