Das Versagen des Propheten – Tribalismus in der Ummah

Geehrte Leser!

Das Thema des heutigen Beitrags ist der Tribalismus innerhalb der Ummah. Gesellschaften wie die Arabische sind extrem tribalistisch und das habe ich nicht aus irgendeinem obskuren Blog, sondern die These wird von seriösen Wissenschaftlern wie Mordechai Kedar vertreten. Aber Tribalismus ist nicht nur ein Problem innerhalb der arabischen Welt, sondern ist einer der Gründe, warum Somalia und Afghanistan inzwischen zu „failed states“ geworden sind und die beiden genannten Staaten sind nicht arabisch. Tribalismus ist auch einer der Gründe, warum es bis heute kein unabhängiges Kurdistan gibt. Auch die Kurden sind keine Araber. Aber der Fakt, dass dem Talabani- oder Barzani-Clan oder welchem Clan auch immer eine grössere Loyalität gilt als einem übergeordneten Staat, verhindert logischerweise Progress und Nation Building wie die Ereignisse in Kirkuk bewiesen haben. In Kirkuk desertierten die Anhänger des Talabani-Clans von ihren Posten und ermöglichten so den Fall der Stadt. Bei den Vainakh-Völkern des Kaukasus (Von denen die bekannteste Sub-Ethnie, die der Tschetschenen ist) ist Mitgliedschaft zu einem Taip/Taipi alles! Alles wird dem Taip/Taipi untergeordnet und demzufolge ist ein Mann, der zu keinem Taip gehört de jure und de facto vogelfrei!

Ein Gegenbeispiel: Durch den kasachischen Herrscher Ablai Khan, der die kasachischen Stämme einte, so schliesslich die Dschungaren besiegte, zum Khan aller Kasachen wurde und mit einer strategisch klugen Politik sowohl China wie auch Russland auf Abstand hielt, wurde der kasaschiche Staat geboren. Ein anderes positives Gegenbeispiel: Als David der Erbauer den Tribalismus in Kolchis/West-Georgien zurückdrängte und die Vermählung von Iberia/ Ost-Georgien und Kolchis/West-Georgien vervollständigte, sicherte er damit die Stabilität des vereinigten Königreichs, welches heute die Republik von Georgien ist. Trotz zahlreicher Invasionen und Okkupation, gibt es heute Georgien als funktionierende Republik und nicht als „failed state“ a `la Afghanistan.

Dieser Tribalismus hat nichts mit vermeintlichem Kolonialismus zu tun, denn der Tribalismus wird von Völkern praktiziert, die nie von irgendeiner westlichen Entität kolonialisiert waren, sondern ist Teil der Kultur dieser Völker und daran konnte auch der Islam nichts ändern. Und hier kommt das Versagen des Propheten ins Spiel: Eines der Ziele von Mohammed war es, eine Ummah, eine Einheit der Islamischen Staaten zu schaffen und diese Einheit gibt es bis heute nur in den Köpfen von Islam-Apologeten! Stattdessen töten sich nicht nur Schiiten und Sunniten gegenseitig, sondern auch verschiedene islamisierte Ethnien schlachten sich aufgrund von Stammesfehden und der damit einhergehenden Blutrache gegenseitig ab. Nun mögen Islam-Apologeten einwenden, dass nicht alle islamisierten Völker und Nationen dem Tribalismus verfallen sind und auch das ist richtig, aber das liegt nicht am Islam, sondern diese Völker und Nationen sind trotz des Islams nicht der Plage des Tribalismus verfallen. Der Iran war schon vor der Islamisierung keine tribalistische Gesellschaft und die Türkei hat, aufgrund des Erbe des Osmanischen Reiches und von Atatürk, starke staatliche Strukturen, die den Tribalismus faktisch überwunden haben.

Neben dem Islam ist es nun einmal der Tribalismus, der Völker, die tausende von Kilometern auseinander liegen und sonst nichts gemeinsam haben, wie die Paschtunen in Afghanistan, die Araber und die Vainakh-Völker im Kaukasus, in einer Melange aus Regression eint. Ja selbst am Horn von Afrika gibt es ein Land, das seit Jahrzehnten aufgrund eines konstanten, blutigen Bürgerkriegs nicht zur Ruhe kommt. Die Rede ist von Somalia. Wie viele Länder auf dem afrikanischen Kontinent hat Somalia unter dem Kolonialismus gelitten, und die Grenzen vieler afrikanischer Staaten wurden von Kolonialherren am Reissbrett bestimmt, aber Somalia hatte «Glück» im Unglück, denn de facto ist Somalia, im Gegensatz zu Ländern wie Ghana, Südafrika, Kenia und Senegal, monoethnisch und monoreligiös. Somalia wird praktisch nur von Muslimen der somalischen Ethnie bewohnt und trotzdem kommt das Land seit dem Tod des Diktators Siad Barre nicht zur Ruhe, denn eine giftige Mischung aus Islamismus und Tribalismus zerreisst Somalia.

Dazu eine kleine Anekdote: Die von Tribalismus beförderte Gewalt innerhalb der arabischen Minderheit in Israel ist inzwischen so schlimm, dass selbst Politiker wie Ayman Odeh diesen Fakt nicht leugnen können. Und trotzdem suchen genau dieselben Politiker die Schuld bei Israel und werfen der israelischen Regierung und Bevölkerung vor, gleichgültig gegenüber der Gewalt innerhalb der arabischen Minderheit zu sein. Würden aber die israelischen Sicherheitsdienste konsequent und effektiv zu Razzien greifen und zum Beispiel die zahlreichen illegalen Waffen konfiszieren, mit denen bei Hochzeiten herumgeschossen wird und Menschen ermordet werden, würden die gleichen Politiker, die jetzt jüdischen Israelis Gleichgültigkeit und Untätigkeit vorwerfen, den israelischen Staat des antiarabischen Rassismus bezichtigen, da bin ich mir sicher. Solange die Angehörigen dieser Völker sich nicht ihrem Tribalismus stellen und diesen effektiv bekämpfen, werden sie Gefangene einer Spirale aus Regression und Gewalt sein.

Die drei Heimsuchungen des Nahen- und Mittleren Osten

In der «Le Tre madri» (dt: Die drei Mütter) genannten Horror-Filmtrilogie von Dario Argento werden drei Hexen, welche die drei titelgebenden Mütter sind, als die ultimative Verkörperung von bösartigen Kräften gesehen, welche ihre Umgebung und auch die Welt mit ihrem Hexenwerk manipulieren können. Besagte Mütter sind Mater Suspiriorum (Die Mutter der Seufzer), Mater Tenebrarum (Die Mutter der Dunkelheit) und Mater Lachrymarum (Die Mutter der Tränen), welche Trauernde heimsuchen und im 11 Jahrhundert das Hexenwerk in die Welt gebracht haben. Natürlich sind diese drei Hexen nicht real und für die meisten Probleme auf dieser Welt, wie Terrorismus, Kriminalität und der Tatsache, dass ich noch immer nicht mit Scarlett Johansson verheiratet bin, sind wir Menschen verantwortlich.

Dies ändert allerdings nicht daran, dass auch solche menschengemachten Probleme zu riesigen Verkörperungen des Leids heranwachsen und ganze Landstriche, in diesem Fall den Nahen- und Mittleren Osten, heimsuchen können. Im Falle des Nahen- und Mittleren Ostens, für die Lesbarkeit dieses Beitrags MENA-Region* genannt, handelt es allerdings nicht um die Mutter der Tränen und der Dunkelheit, welche für das Leid in der Region verantwortlich ist, sondern um diese drei Ideologien: Islamismus, Tribalismus und Irredentismus.

Zuallererst ist da der Islamismus, über welchen andere Menschen besser geschrieben, warum er Gesellschaften Stück für Stück zerstört, da er, komme was wolle, allen Individuen in jener Gesellschaft die Mentalität des 6. Jahrhunderts im hier und heute aufzwingt und somit besagte Individuen und die Gesellschaft als solche zur Regression verdammt. Aber der Islamismus ist nicht der einzige Grund, warum Staaten wie der Iran, der Jemen, Syrien und Afghanistan entweder auf dem besten Weg sind, gescheiterte Staaten zu werden und/oder Terrorismus exportieren.

Ein anderer Grund für das Elend in der MENA-Region ist der Tribalismus, die Tatsache das Stammesdenken und die Abgrenzung zu anderen Stämmen und Clans, dazu führen, dass es die Kurden bis heute nicht schaffen einen eigenen Staat auszurufen. Zuletzt konnte man dies beobachten, als kurz vor der Schlacht von Kirkuk, im Jahr 2017 (!) die mit dem Talabani-Clan assoziierten Peschmerge Insubordination begingen und dann, schlussendlich, gar von ihren Posten desertierten. Dies wiederum führte dazu, dass Kirkuk leicht von den Truppen und Milizen der irakischen Zentralregierung eingenommen werden konnte. So sind heute die Kurden auseinandergerissen und zwar auch durch ihre eigene Unfähigkeit, welche in dem tribalistischen Denken ihren Ursprung hat. Ein anderes Beispiel für meine These ist der Vergleich zwischen Afghanistan und dem Iran, zwei ungleiche Bruderstaaten, heimgesucht von unterschiedlichen und doch gleichen Problemen. Im angelsächsischen Raum würde man dazu sagen «Same same but different». Denn sowohl Afghanistan, wie auch der Iran sind Staaten mit einer muslimischen und persischsprachigen Mehrheitsbevölkerung, welche im Mittleren Osten liegen. Da hören aber auch die Gemeinsamkeiten auf, denn während in der sogenannten Islamischen Republik Iran der Irredentismus Urstände feiert, mehr dazu später, ist Afghanistan auf dem besten oder schlechtesten Weg dazu ein gescheiterter Staat zu werden. Eben aufgrund des oben genannten Irredentismus, welcher dazu führt das im mehrheitlich sunnitischen Afghanistan die schiitischen Hazara nun de facto Freiwild sind, die Zentralregierung in Kabul praktisch machtlos ist und Bündnisse zwischen den verschiedenen Clans und Ethnien, wie Paschtunen, Tadschiken, Turkmenen und dergleichen, so lange halten, wie man braucht um eine Tasse Chay auszutrinken. So lange man den Tribalismus und den Islamismus nicht gleichzeitig und effektiv bekämpft, gibt es für Staaten wie Afghanistan keine Möglichkeit des Fortschritts.

Kommen wir schlussendlich zum Irredentismus, dem Wiedergänger des Imperialismus von gescheiterten Imperien. Hier komme ich nicht herum, um das Henkerregime zu Teheran, auch bekannt als Islamische Republik Iran, als Beispiel zu nehmen. Ein Regime, welches die Grundbedürfnisse seiner eigenen Bevölkerung weder stillen kann noch stillen will, dafür über Proxies wie Hisbollah und den Houthi-Milizen im Jemen Terror in die weite Welt exportiert. Traurige Ironie dabei ist, dass das Regime die gleichen Fehler begeht, welche dazu führten das vor 205 Jahr, durch den «Frieden von Golestan» genannten Vertrag das Perserreich auseinanderbrach. Während man im Ausland am Imperium herumwerkelt, bricht im Innersten das Grundgerüst auseinander. Weil der Iran heute eben bestenfalls nur eine Regionalmacht ist, welche nicht die Ressourcen hat, um wieder ein Imperium zu werden. Darum ist der Irredentismus des Teheraner Henkerregimes auf Dauer suizidal für den Iran.

*Middle East (And) North Africa-Region