Geehrte Leserinnen und Leser!
Zum Jahresabschluss müssen wir uns wieder mit dem Land der Arier, dem Iran, befassen. Denn trotz der Tatsache, dass die iranische Bevölkerung genug von der klerikal-faschistischen Mullahherrschaft hat, führt das nicht zu einer gestiegenen Toleranz, Verständnis und Rücksicht gegenüber Minderheiten, wie ein Vorfall in Espahan am 24. Dezember zeigte.
In Espahan, auch als Isfahan bekannt, versuchte ein Teil der Bevölkerung, am 24. Dezember in die armenische Vank Kathedrale einzudringen und dort Weihnachten zu feiern. Die feierwütigen Iranerinnen und Iraner standen aber wortwörtlich vor verschlossenen Türen, da Armenisch-Apostolische Christinnen und Christen wie andere östlich christliche Konfessionen Weihnachten nach dem julianischen Kalender am 6. Januar feiern.
Auf den ersten Blick mag das alles rührend erscheinen, auf den zweiten Blick offenbart sich eine unfassbare Arroganz und massives Anspruchsdenken gegenüber einer unterdrückten Minderheit, und ich erkläre Ihnen auch gleich, warum das so ist.
Zuerst stellen Sie sich mal vor, was passiert wäre, hätten Armenierinnen und Armenier tatsächlich am 24. Dezember Weihnachten gefeiert: Entweder Sie hätten diese Leute abweisen müssen, und man hätte Ihnen das übel genommen, oder noch schlimmer. Wenn die Armenierinnen und Armenier diese feierwütigen Iranerinnen und Iraner reingelassen hätten und es dann darum gegangen wäre, die Zeche zu bezahlen, so wären die Armenierinnen und Armenier am kürzeren Hebel gewesen, da die islamistische Führung des Landes Minderheiten am stärksten zur Kasse bittet. Sprich, die Herrscher in Teheran hätten gut und gerne die armenischen Christinnen und Christen auspeitschen lassen können und dann die Vank Kathedrale in eine Moschee verwandeln oder eine Koranschule, oder was auch immer.
So sieht man, dass diese feierwütigen Iranerinnen und Iraner mit ihrem Anspruchsdenken eine Minderheit gefährdet haben, die schon aufgrund von persischem Chauvinismus und auf iranischem Boden genug gelitten hat. Die Vank Kathedrale ist dafür ein gutes Beispiel und kein Symbol der Toleranz, wie viele glauben. Denn die Vank Kathedrale wurde seinerzeit während der Herrschaft von Schah Abbas errichtet, mit geplünderten Reliquien aus Echmiadzin, dem Vatikan der armenisch-apostolischen Kirche. Dies wurde von Schah Abbas veranlasst, um den Armenierinnen und Armeniern die Hoffnung auf eine eigene Staatlichkeit zu nehmen und sie vollends in die persisch-schiitische Kultur Espahans zwangsumzusiedeln und zu assimilieren.
Wie man am Zwischenfall vom 24. Dezember sieht, so scheint sich die Mentalität innerhalb der iranischen Gesellschaft gegenüber Minderheiten und den Völkern des Kaukasus kaum geändert zu haben. Und die Iranerinnen und Iraner, die nun alles auf den Islam schieben wollen, denen empfehle ich, sich mit der Geschichte der Heiligen Shushanik zu befassen, einer armenischen Christin, die im sassanidischen Imperium ermordet wurde, weil sie sich weigerte zum Zoroastrianismus zu konvertieren. Ich werde den Wikipedia Eintrag zu ihrer Biographie, wie immer, unten verlinken.
Offengestanden überrascht mich als Georgierin dieses Anspruchsdenken von Iranerinnen und Iranern gegenüber Minderheiten und den Völkern des Kaukasus überhaupt nicht. So wurde ich unter anderem von Iranern aufgefordert, mich mit Benzin zu übergiessen und mich vor der Botschaft der Islamischen Republik Iran anzuzünden. Aber es ist gerade dieses Anspruchsdenken und dieser Chauvinismus, welche das Regime am Leben erhalten, wie das Scheitern der vergangenen Jahrzehnte im Kampf gegen das Regime zeigt.
Und wenn Sie denken, dass ich übertreibe: Stellen Sie sich ein Szenario vor, in dem ich versuchen würde, in einen geschlossenen Shintoschrein einzudringen, um dort Chanukka zu feiern. Das wäre auch unverschämt, oder? Demzufolge ist der versuchte Hausfriedensbruch der feierwütigen Iranerinnen und Iraner der Gipfel der Unverschämtheit, denn nicht nur begingen sie fast Hausfriedensbruch, sie gefährdeten dabei auch eine Minderheit.
Summa summarum: Der versuchte Hausfriedensbruch der feierwütigen Einwohnerinnen und Einwohner Espahans war alles andere als rührend, sondern unverschämt und hatte obendrein das Potenzial, eine gefährdete Minderheit in der Islamischen Republik noch mehr zu gefährden. Er verdeutlicht auch persischen Chauvinismus gegenüber Minderheiten, denn die Mehrheitsgesellschaft erwartet von besagten Minderheiten, ihre Feste nicht zu feiern, wie sie fallen, sondern wie es den persischen Herrschaften genehm ist. Dies sind keine guten Nachrichten, sondern weiterhin Wasser auf die Mühlen der Islamischen Republik.
* Vatanforoosh bedeutet auf Persisch «Landesverräter» und so nennen mich Iraner und Iranerinnen, weil ich als Georgierin nicht auf Georgiens Unabhängigkeit verzichten will, kein Farsi spreche, mich der persischen Kultur nicht zugehörig fühle und nicht bereit bin, für den Iran zu sterben. Den Iranern und Iranerinnen, die in mir deshalb eine Landesverräterin sehen, sei gesagt: «Dissent is the highest form of patriotism» (dt. Dissens ist die höchste Form des Patriotismus.)
Biographie der Heiligen Shushanik auf Englisch:
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