Warum es keinen Antisemitismusbeauftragten braucht/ Eine Polemik

Liebe Ladies und Fellas

Mit der Ernennung des Karrierediplomaten Felix Klein zum Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, d.h. unteranderem zum Antisemitismusbeauftragten, gehen die Wellen hoch im Feuilleton und es wird darüber debattiert, was im Kampf gegen Antisemitismus getan werden müsse und ob die Statistiken die Feindschaft gegen uns Juden korrekt wiedergeben. Dazu möchte ich anmerken, dass man sich dieser Debatte hier und heute nicht stellen müsste, wenn man sich ansehen würde, was bisher im Kampf gegen Antisemitismus versäumt wurde, zum Beispiel wurde bis her keine einzige Empfehlung des Expertenkreises Antisemitismus umgesetzt.

Nun wird ein Amt geschaffen, dass ich, als nicht-deutsche Jüdin, die NICHT in Deutschland lebt, als Verschwendung von Ressourcen und Steuergeldern ansehe. Dies ist kein persönlicher Angriff gegen Herr Felix Klein, der sicher seine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen versuchen wird auszuführen. Auch bin ich der Ansicht, dass Nicht-Juden, welche für die Schaffung dieses Amtes waren, absolut wohlmeinend gegenüber meinem Völkchen waren und genau hier liegt der Hund begraben: Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert. Es braucht keinen Antisemitismusbeauftragen, um zu sehen, dass der Angriff auf den Kippa tragenden Israeli in Prenzlauer Berg antisemitisch motiviert war, es braucht keinen Antisemitismusbeauftragten, um zu erkennen das Antisemitismus zunimmt, wenn Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland den Juden in Deutschland dazu rät in der Öffentlichkeit keine Kippot zu tragen und es braucht ganz bestimmt keinen Antisemitismusbeauftragten, wenn man uns Juden und Organisationen, wie den Zentralrat der Juden in Deutschland ernst nehmen würde und uns ansprechen würde, in Bezug auf Antisemitismus. Wir Juden sind, in der Regel, selber gross genug, um unsere Wünsche und Sorgen zu äussern und es nützt übrigens nichts einen Antisemitismusbeauftragten jetzt, für das gute Gewissen einzusetzen, wenn man, wie bei den Empfehlungen des Expertenkreises Antisemitismus, weiterhin untätig bleibt. Es ist meine grösste Sorge, dass die Schaffung dieses Amtes eine Art eine prophylaktische Abbitte ist, um als Zivilgesellschaft, nicht von uns Juden kritisiert werden und zur Verantwortung gezogen zu können. So nach dem Motto: «Was wollt ihr Juden denn noch, ihr habt doch euren Antisemitismusbeauftragten?!?»

Was es meiner Meinung wirklich braucht, im Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland im Besonderen und überall anders im Allgemeinen, wäre, unteranderem, eine zentrale Erfassung von ALLEN antisemitischen Straftaten, dass man uns Juden endlich in Bezug auf Antisemitismus ernst nimmt und unsere Sorgen und Probleme nicht als Gejammer abtut und das man anfängt die Empfehlungen des Expertenkreise Antisemitismus umzusetzen. Für irgendwas hat man besagten Expertenkreis engagiert, oder etwa nicht?! Ach, was ich mir wirklich sehr wünsche, wäre mehr zivilgesellschaftliches Engagement von der nicht-jüdischen Mehrheit im Kampf gegen Antisemitismus. Es kränkt und erniedrigt mich wirklich sehr, wenn ich sehe, wie wir Juden Demonstrationen gegen Antisemitismus organisieren müssen, weil es sonst keiner tun würde. Wie gesagt, es bräuchte keinen Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, wenn die nicht-jüdische Mehrheit der bürgerlichen Gesellschaft in Deutschland mehr für jüdisches Leben in Deutschland und im Kampf gegen Antisemitismus tun würde, anstatt über solche Bürokratenposten, wie den von Felix Klein prophylaktisch Abbitte zu leisten und so den Kampf gegen Antisemitismus wieder zu uns Juden und zu irgendwelchen Apparatschiki zu delegieren. Etwas mehr gesellschaftliches Engagement darf man, als Jude/ Jüdin in Europa doch noch erwarten von der nicht-jüdischen Mehrheit, besonders wenn man bedenkt, für wie liberal, aufgeklärt und weltoffen man sich hier in Europa hält.