„Georgian Dream“, der neue Alptraum Georgiens

Georgien hat einen neuen Premierminister, nachdem Mamuka Bakhtadze, der Stellvertreter des Oligarchen, abgezottelt ist. Dies ist kein Grund zum Feiern, da der neue Premierminister, noch autoritärer, als der vorherige ist und die gleiche Attitüde, wie Lavrenti Beria hat. Hinzu kommt, dass Giorgi Gakharia, der neue Premier von Ivanishvilis Gnaden, höchst umstritten ist, wegen der brutalen Versuche, die Proteste gegen die Anbiederung «Georgian Dream» gegenüber dem Okkupanten Russland, zu ersticken. Eine der Forderungen der Demonstranten war übrigens, dass Gakharia, der damals noch Innenminister war, zurücktritt. Nun ist dieser Mann Premierminister und als solcher lässt er es sich nicht nehmen, die Opposition zu bedrohen. Dies zeigt, dass «Georgian Dream» und die meisten ihrer Politiker nicht dazu geeignet sind, in irgendeiner Position zu sein in der sie über irgendeine Form von Autorität verfügen.

Denn es ist nicht nur Gakharia, der hier auf Teekessel-Diktator macht, auch der Verteidigungsminister bläst ins gleiche Horn, Irakli* Garibashvili. Er will eine «patriotische Erziehung» in den Kindergärten Georgiens einführen. Aber wie das gegen den Werteverfall des Lari (Die georgische Währung) und die Okkupation von georgischem Territorium durch Moskaus Proxies helfen soll, erschliesst sich mir nicht. Auch die Eigenproduktion von Munition und anderen Rüstungsgütern wird Georgien kaum helfen, denn die Nachbarn des Staates sind unteranderen, Russland und die Türkei, die aufgrund der Tatsache, dass sie erstens entweder selber zu den grössten Waffenexporteuren der Welt gehören (Russland) oder NATO-Mitglied sind (Türkei), sich nie um den Nachschub von Rüstungsgütern Sorgen machen müssen. Da kann das kleine Georgien schlicht nicht mithalten. Der einzige Vorschlag Garibashvilis, der halbwegs sinnvoll war, ist es, die stillgelegte Flugzeugfabrik «Nummer 31» aus Sowjetzeiten wieder zu eröffnen, vorausgesetzt Georgien hat das Knowhow dazu, denn damit wäre man wirklich einzigartig in der Region und hätte künftigen NATO-Partnern etwas anzubieten. Alles andere, was Garibashvili sonst von sich gegeben hat, lässt mich ernsthaft an der geistigen Gesundheit dieses Mannes zweifeln.

Vorbei die Zeiten, in denen Menschen ausserhalb Georgiens den ehemaligen Verteidigungsminister, Irakli* Okurashvili, für einen Verrückten oder Phantasten oder für alles zusammenhielten, weil dieser in einem Interview gesagt hatte, dass die Osseten, sofern sich diese wirklich von Georgiern unterdrückt fühlen würden, gerne zurück in den Iran oder nach Russland gehen könnten.

Das Einzige, was mir in dieser Situation noch Hoffnung gibt, ist die Tatsache, dass nächstes Jahr Wahlen sind, das Georgien eine funktionierende Zivilgesellschaft hat, wie die Proteste bewiesen haben und das Gakharia und andere Funktionäre von «Georgian Dream» nicht die Wiedergänger von Stalin und Beria sind. Selbst im Vergleich zum, von Moskau, eingesetzten Stellvertreter des Kreml, Eduard Shevardnadze, sind diese Apparatschiki blass und nur ihrem Oligarchen hörig.

 

*Irakli ist die georgische Version des griechischen Namens «Herakles» und ein sehr populärer Jungenname in Georgien.

Ein paar Anmerkungen zu den Ereignissen in Tbilisi.

Seit einigen Tagen wird in Georgien gegen die jetzige Regierung demonstriert, es gab schon mehr als 200 Verletzte und der Parlamentssprecher, Irakli Kobachidse, ist zurückgetreten. Als Auslöser, quasi der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, können die Ereignisse vom 19. Juli gesehen werden. An jenem Tag gastierte eine Delegation christlich-orthodoxer Politiker in Tbilisi, der Hauptstadt Georgiens. Dabei durfte der russische Abgeordnete Sergei Gavrilov eine Rede auf Russisch halten und auf dem Platz sitzen, der sonst dem Parlamentssprecher vorbehalten ist. Dies sorgte dafür, dass zuerst Oppositionspolitiker wütend das Parlamentsgebäude verliessen und es daraufhin zu Demonstrationen kam, bei denen nicht nur der Rücktritt von Kobachidse gefordert wurde, sondern auch den Rücktritt des Innen- und Premierminister, sowie die Auflösung des Parlaments und vorgezogene Wahlen.

Für Aussenstehende mögen dieses Verhalten und solche Forderungen der georgischen Bevölkerung eine überempfindliche Reaktion sein, doch man darf eines in diesem Fall nicht vergessen: Russland okkupiert völkerrechtswidrig durch seine Proxies zwanzig Prozent des georgischen Territoriums. Demzufolge ist Russland ein Aggressor und das Verhalten des russischen Abgeordneten Gavrilov im georgischen Parlament eine Provokation. Zwar versuchten georgische Regierungspolitiker die Demonstranten zu beruhigen, aber ihre Worte heizten die unzufriedene Menge nur noch mehr an. Vielen Georgiern scheint es, dass der Parteivorsitzende der Regierungspartei, Bidzina Ivanishvili, der keinen offiziellen Regierungsposten hat, aber eine Menge Hörige innerhalb «seiner Partei», das Land führt wie sein Unternehmen und Posten vergibt nicht aufgrund von Qualifikation, sondern ob der Betreffende bereit ist ihm gegenüber untertänig zu sein. Bei Kritik spielt Bidzina Ivanishvili einfach die Karte des guten, orthodoxen Christen…

Orthodoxer Chauvinismus. Georgiens wunder Punkt. Egal was Russland tut: Die Religion eint diese beiden Staaten und dann kommt Russland, einem Stalker-Ex-Freund gleich, ums Eck und flüstert: „Ja, ich bin schlimm, aber wir sind beide Christen und die anderen (Iran und die Türkei sind schlimmer). Damit spielen Russland und viele orthodoxe Chauvinisten innerhalb Georgiens auf die jahrhundertelange Unterdrückung Georgiens durch das osmanische- und Perserreich an. Nicht nur haben diese beiden gescheiterten Imperien Georgien so aufgeteilt, wie einen Kuchen, sie haben auch circa 2/3 der damaligen Gesamtbevölkerung verschleppt und versklavt. Georgiens Fürsten lebten damals in konstanter Angst davor, dass ihr eigenes Land entvölkert wird, wegen der chauvinistischen Politik der muslimischen Imperien. Bis 1783 der georgische König, Erekle II, sich dazu veranlasst sah bei Russland um Schutz zu ersuchen, weil er sich von einem christlichen Reich die Milde erhoffte, die es von den Persern und Osmanen nicht gab. So kam Georgien vom Regen in die Traufe. Denn das Bündnis mit Russland ist für Georgien toxisch. Nicht nur ist Russland selbst Geisel seines ureigenen Chauvinismus und der Xenophobie, sondern verfolgt eine irredentistische und imperialistische Politik, die dazu führt, dass Russland nach dem Motto agiert, «Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlage ich dir die Fresse ein», wie die jetzige Okkupation von georgischem und ukrainischem Territorium zeigt.

Interessanterweise sind die Kirchen in vielen christlich-orthodoxen Staaten so stark und haben so viel Einfluss auf die Politik wie noch nie in der Geschichte. Denn innerhalb christlich-orthodoxer Staaten wird, im Gegensatz zum Katholizismus, nicht der Patriarch der jeweiligen Landeskirchen oder der Patriarch von Konstantinopel als Stellvertreter Christi auf Erden gesehen, sondern der weltliche Herrscher. Somit zogen in der Vergangenheit die Kirchen in Staaten mit christlich-orthodoxer Bevölkerungsmehrheit im Kampf gegen die weltlichen Herrscher immer den Kürzeren. Heute hingegen mischt sich die Kirche gerne ins Tagesgeschehen ein und hetzt zum Beispiel gegen die jährliche Organisation der «Pride Parade» in Tbilisi.
DARUM braucht Georgien die Säkularität, wie die Luft zum Atmen. Wie bereits der gute Noe Jordania wusste, der erste Premierminister der Demokratischen Republik Georgiens, dessen Rechtsnachfolger die Republik von Georgien heute ist, schon vor hundert Jahren. Demzufolge würden mehr Säkularität und eine neue Regierung Georgien jetzt am Besten dienen. Denn mit jedem weiteren Tag, den sich Bidzina Ivanishvili und seine Lakaien an der Macht halten, wächst der Zorn in der Bevölkerung gegenüber der jetzigen, bigotten Regierung.