Russlands Interessen und hybride Kriegsführung

Am 12. April berichtete Michael Thumann in der Kolumne «Fünf vor Acht» zur Europawahl, über die angebliche Kritik einer russischen Politikerin und «Journalistin», Veronika Kraschennikowa, dass der Kreml Rechtspopulisten, wie die AfD in Deutschland, und Linksnationalisten, wie die «Podemos» in Spanien, in Europa unterstützt. Für mich ist diese Kritik einer «Journalistin», die für «Rossija Sewodgna», also die russischsprachige Version von «Russia Today» arbeitet, im besten Fall heuchlerisch und hat mehr mit Krokodilstränen, als mit effektiver und wahrhaftiger Kritik, gemein.

Gerade jetzt, wo die russische Wirtschaft, angetrieben durch die allumfassende Korruption in Russland und amerikanische und europäische Sanktionen, sich in einer Abwärtsspirale befindet, öffnet Frau Kraschennikowa den Mund, um daran zu erinnern, dass sich Russland immer weiter von Europa im Besonderen, von zivilisierten Staaten im Allgemeinen, isoliert. Diese Frau, schreibt Michael Thumann selber, war als Institutsleiterin mitverantwortlich für das Gesetz der «Registrierung ausländischer Agenten». Nun, da man in Russland  festgestellt hat, dass man effektiv alles beackert hat, was es an Wirrköpfen am politischen Rand gibt, und die Spionagenetzwerke innerhalb Europas und der USA aufgeflogen sind, weil die russischen Geheimdienste effektiv zu dreist agiert und agitiert haben, zieht man die Dialogkarte und versucht, vorsichtig, einen Ansatz von gespielter Selbstkritik zu üben.

In einem Punkt bin ich übrigens mit Frau Kraschennikowa vollkommen einer Meinung: Der Islam gehört zu Russland, immerhin stützt Putin das Kadyrow-Regime, das Homosexuelle in Lager einsperrt,  innerhalb der Russischen Föderation und ausserhalb der Russischen Föderation das islamistische Henkerregime der sogenannten Islamischen Republik, ideologisch und wenn es sein muss: konkret mit Waffen und anderen Ressourcen.  Hinzu kommt noch, dass die drittgrösste Stadt innerhalb der russischen Föderation, Kazan, eine muslimische Bevölkerungsmehrheit hat.

Es ist mir deshalb ein Rätsel, wenn Putin-Fans von Russlands angeblichem Kampf gegen den Islam quaken, da Russland in den letzten Jahren nur gegen zwei Staaten Krieg geführt hat, und immer noch völkerrechtswidrig Territorien okkupiert dieser beiden Staaten, nämlich Georgien und die Ukraine, die eine christlich-orthodoxe Mehrheitsbevölkerung haben. Sprich Russlands Kampf gegen den Islam hat effektiv nur in den Köpfen jener stattgefunden, die Putin bewundern und die deshalb, meiner Ansicht nach, eine Sehnsucht nach autoritären Führerfiguren haben.

Was hingegen die Aussenpolitik gegenüber Russland angeht, finde ich, dass es MEHR Sanktionen braucht. Denn wie ich immer zu sagen pflege: Es gibt eine Zeit der Diplomatie und eine Zeit, in der man zu handeln hat. Im Falle von Russlands, vom Chauvinismus angetriebener Expansionspolitik, hat man zu handeln, sofern man nicht rückgratlos ist. So lange Russland weiterhin Abchasien, die Tskhinvali-Region/ Süd-Ossetien, den Donbass und die Krim okkupiert, ist ein sogenannter «kritischer Dialog» mit dem Kreml nichts anderes, als moralische Prostitution und wird vom Kreml als Schwäche des Westens wahrgenommen. Davon zu reden, die Sanktionen gegen den Kreml herunterzufahren, kann man, meiner Meinung nach, erst dann, wenn wieder die Fünfkreuzflagge über Tskhinvali und Suchumi weht. Alles andere belohnt das regressive Verhalten Russlands und die Expansionspolitik des Kremls, denn es war nicht der Nationalismus, der zum Zerfall der Sowjetunion geführt hat, sondern der russische Chauvinismus, der in allen nicht-slawischen und nicht-orthodoxen Bevölkerungsgruppen der Ex-Sowjetunion, bestenfalls, Bürger zweiter Klasse sah.

Das bedeutet, dass die Sowjetunion nicht nur ökonomisch gescheitert ist, sondern auch daran scheiterte allen Nicht-Russen die gleichen, verbrieften Rechte zu geben, wie der russischen Mehrheitsbevölkerung. Dies sorgte dafür, dass die Sowjetunion auseinanderbrach und daraus neue Staaten entstanden sind. Staaten, deren Souveränität und Interessen man auch respektieren sollte, auch im Gedenken Noe Jordania, von dem die folgenden Worte stammen: “Die europäische Gesellschaft ist müde, sie fühlt nicht mit dem Schmerz der Anderen, sie erkennt den Schmerz der Anderen nicht mal und sie kümmert sich nur um eine Sache: Unter ihresgleichen zu sein, friedlich, ohne Sorgen..» Sonst behält nämlich der olle Marx, aufgrund europäischer Indifferenz und russischem Chauvinismus, recht. Denn Marx schrieb einst: «Geschichte wiederholt sich, zuerst als Tragödie, dann als Farce.»

«Airbnb» und «besetzte Gebiete»

Nach dem «Airbnb» aus Angst vor einer Prozesswelle zurückgerudert ist und seinen Boykott gegenüber jüdischem Eigentum aufgegeben hat, muss ich sagen: Too little too late! Diese Heuchelei ist lächerlich! In den von Russland besetzten Gebieten Georgiens und der Ukraine gab es für „Airbnb“ nie Probleme. Bis heute kann man ohne Probleme, über «Airbnb» Wohnraum in Tskhinvali und Suchumi mieten, obwohl dieses Gebiet völkerrechtswidrig von Russland besetzt ist, das eine Politik der «Borderization» betreibt, in dem es die Grenze immer weiter gen Süden verschiebt. Während die georgische Bevölkerung, sowohl aus dem Tskhinvali-Gebiet, wie auch aus Abchasien vertrieben wurde und Georgien darum nun 300 000 Binnenflüchtlinge hat, fast 10% der Gesamtbevölkerung. In der Kreml-Proxy Abchasien hat man dieser Tage sogar die Todesstrafe wieder eingeführt! Das macht Abchasien, neben Belarus, zu einem Unikum im post-sowjetischen Raum, denn in allen anderen post-sowjetischen Gebieten, wurde die Todesstrafe entweder abgeschafft oder mit einem Moratorium belegt. So ähnlich funktioniert es auch für das, nur von der Türkei anerkannte Gebilde, namens «Nord-Zypern», aus dem die hellenische Bevölkerung vertrieben wurde und wo nun Türken vom Festland leben. Auch Immobilien in «Nord-Zypern» kann man per «Airbnb» ohne Probleme, ohne internationalen Aufschrei mieten. Danach kräht kein Hahn.

Nur wenn es darum geht, dass Juden ihr Eigentum in umstrittenem Gebiet vermieten, wird es zum Politikum und es wird zum Boykott aufgerufen, dem sich «Airbnb, dummerweise, für kurze Zeit anschloss und sich nun, nur aus Angst vor Prozessen in den USA, lauwarm distanziert hat, um noch vollmundig damit zu hausieren, dass die Gewinne aus den Vermietungen in Judäa und Samaria humanitären Organisationen zu Gute kommen sollen. Es ist eben immer zu leicht, in dieser Welt, sein Mütchen am Juden zu kühlen, während man sich scheut, dem KGB-Zwerg im Kreml zu zürnen. Diese bizarren Boykottversuche von Firmen und Organisationen, wie «Airbnb» zeugen letztlich nur von einem tiefergehenden Problem, nämlich der Tatsache, dass viele Nicht-Juden unbewusst Geisel ihrer ureigenen, antisemitischen Ressentiments sind, die dann an die Oberfläche treten, wenn diese Leute mit etwas entfernt Jüdischem in Kontakt kommen.  So lange diese Nicht-Juden sich nicht ihren ureigenen antisemitischen Ressentiments stellen werden, werden wir Juden uns weiterhin bizarre Boykottversuche und Delegitimierungen des Judenstaates entgegentreten müssen, wie sie heute zum Beispiel von Seiten fehlgeleiteter Labour-Mitglieder kommen, die ernsthaft glauben, dass wir Juden hinter der Revolution vom Maidan und dem Islamischen Staat stecken würden. Das bedeutet, dass man die Ideologie des Antisemitismus bekämpfen muss, egal in welchem Gewand sich zeitgenössischer Antisemitismus auch immer präsentiert.