Hannah Arendt und ich

Geehrte LeserInnen!

Zu dem heutigen Text wurde ich durch die Kolumne meines weisen und lieben Bekannten Mike Wuliger von der «Jüdischen Allgemeinen» inspiriert. Diese Woche schrieb er in seiner Kolumne darüber, dass die liebste Jüdin des deutschen Feuilletones Hannah Arendt sei. Dies kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.

Wie sicher einige Leserinnen und Leser wissen, arbeite ich in meinem Brotjob in einer Buchhandlung hier in Zürich, und da treffe ich auf allerlei Personen, die wie soll ich mich da am besten ausdrücken, noch exzentrischer sind als meine Wenigkeit.

Vor einiger Zeit kam eine deutsche Kundin in die Buchhandlung, die, weil ich mich mit meinem Chef darüber unterhielt, dass ich unbedingt an Jom Kippur wieder frei haben muss, erfuhr, dass ich Jüdin bin. Ich erfuhr wiederum, dass diese Frau Deutsche ist an ihrem hochdeutschen Akzent und der Tatsache, dass sie mir das sagte, als ich sie bediente.

Berufe, in denen man Kundenkontakt hat, können einen zum Menschenfeind machen, und darum versuche viele Dinge bei der Arbeit an mir abperlen zu lassen, zumal diese Frau Dinge sagte, die ich auch sonst zu hören bekomme. Denn während ich sie bedient habe, sagte mir diese Frau nicht nur, dass sie gleich hätte wissen sollen, das ich Jüdin sei wegen meiner Nase, und dann fragte mich diese Frau, deren Namen ich nicht kenne, in welchem KZ meine Grosseltern, gewesen seien. Lassen Sie mich eines klarstellen: Für mich ist es normal geworden, dass mir Nicht-Juden attestieren, eine «typisch jüdische Nase», sprich eine Hakennase zu haben. Auch ist es normal, dass mich wildfremde Nicht-Juden fragen, in welchem KZ meine Angehörigen gewesen seien, sobald sie erfahren, dass ich Jüdin bin. Deshalb ist das, was mir dann geschah, Teil meines Alltags und deshalb habe ich versucht, so nüchtern wie möglich darauf zu reagieren. Ruhig sagte ich ihr, das ich einen Migrationshintergrund in der ehemaligen Sowjetunion hätte und deshalb, so weit ich wisse, keiner meiner Angehörigen in einem KZ war oder dort gestorben ist, sondern meine Angehörigen während der «Grossen Säuberungen» und der «Mingrelischen Affäre» (das ist keine schöne, erotische Geschichte wie aus tausendundeiner Nacht, sondern die paranoide Unterdrückung und Schikane von ethnischen Mingreliern* während Stalins letzten Lebensjahren) ermordet und deportiert wurden.

Die Reaktion der Frau ist für mich, leider, typisch für viele, die sich als links verstehen, denn als ich ihr vom Tod und Leid meiner Angehörigen erzählt habe, fuhr sie mich barsch an, dass diese gerechtfertigt seien, denn sie seien für eine «bessere Welt» gestorben. Wie gesagt, das ist für mich alltäglich und so versuchte ich ihre Unverschämtheit gegenüber dem Leid meiner Familie zu ignorieren. Doch die Frau hörte nicht auf. Zuerst fragte sie mich, ob ich Hannah Arendt kennen würde. Worauf ich ihr antwortete, dass ich sie kennen würde, aber generell französische Philosophen wie André Glucksmann und Alain Finkielkraut den deutschen Philosophen vorziehen würde, weil mir persönlich viele deutsche Philosophen zu totalitär sind. Damit war die Frau nicht zufrieden, denn nun sie begann sie mich über BDS und Hannah Arendt vollzuquatschen und dass Hannah Arendt heute bestimmt BDS unterstützen würde und ich dies auch tun sollte, weil wir Juden, und ja, sie sagte Juden und nicht Israelis, heute den Palästinensern das antun würden, was von den Nazis uns Juden angetan wurde. Sie selbst würde selbstverständlich BDS unterstützen. Nur die Tatsache, dass neue Kunden in den Laden kamen und ich es deshalb schaffte die Frau abzuwimmeln, beendete ihr Lamento.

Doch, wie gesagt, ist sowas für mich inzwischen Alltag. Antisemitismus ist für mich Alltag. Es ist für mich alltäglich, dass mir Nicht-Juden eine «typisch jüdische Nase» attestieren und damit bin ich nicht die Einzige, der Schriftsteller Thomas Meyer schrieb vor einiger Zeit in der «Jüdischen Allgemeinen» über ähnliche Erfahrungen. Es ist für mich alltäglich, wenn Nicht-Juden das Leid meiner Familienangehörigen während des Stalinismus relativieren, etwas das jüdische Menschen, deren Angehörige tatsächlich in KZs gewesen sind, nicht tun, und es ist normal für mich, dass Nicht-Juden von mir erwarten, Dinge zu tun oder zu lassen, weil ich Jüdin bin. Um es in zwei Sätzen zu sagen: Antisemitismus ist für mich Alltag und damit bin ich nicht die Einzige. Antisemitismus wächst und gedeiht seit Jahren wie Unkraut.

 

*Ich bin mütterlicherseits ukrainisch-jüdischer und georgisch-mingrelischer Abstammung.

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Philipp Ruch und die Kultur der Anderen

Geehrte LeserInnen!

Wie man dieser Woche in der «Jüdischen Allgemeinen» lesen konnte, war der Gründer und bekanntestes Mitglied des sogenannten «Zentrums für politische Schönheit» in den «Philosophischen Salon» der jüdischen Gemeinde von Frankfurt eingeladen. Diese Veranstaltung wurde aufgrund der Covid-19-Krise ins Internet gesendet. Wie immer hatte Herr Ruch dabei Asche auf dem Gesicht, was mich an den Versuch von «Black Facing» denken lässt. Aber item, Philipp Ruch war nicht einfach so im «Philosophischen Salon» zu Gast, sondern um über die berühmt-berüchtigte Säule des «Zentrums für politische Schönheit», in der angeblich die Asche von jüdischen Opfern aus Auschwitz zu finden sei, zu sprechen.

In meinen Augen wäre Philipp Ruch nicht der, der er nunmal ist, wenn er nicht auch diese Einladung dazu benutzt hätte, sich selber und das «Zentrum für politische Schönheit» zu inszenieren. Davon zeugt der Fakt, dass Herr Ruch die Werke seines Zentrums praktisch im selben Atemzug mit dem Kniefall von Willy Brandt in Warschau praktisch genannt hat.

Machen wir uns nichts vor: Ich verachte Philipp Ruch und davon auszugehen, dsas Asche von jüdischen Ermordeten zu verwenden schon okay ist, weil ein paar säkulare Juden kein Problem damit haben, kremiert zu werden, ist absolut übergriffig. Die jüdischen Opfer der Shoa haben Herrn Ruch nicht darum gebeten sie in irgendeiner Form zu repräsentieren. Nota bene, und das sage ich als Jüdin, die sich der Masorti-Bewegung zugehörig fühlt, ist es auch übergriffig, wenn man als Nicht-Jude Orthodoxen pauschal Aufgeklärtheit abspricht. Dies steht einem Philipp Ruch schlicht nicht zu. Es steht einem Philipp Ruch auch nicht zu zu entscheiden, was mit den Überresten von toten Juden geschieht.

Aber ich bin, leider, nicht im geringsten überrascht vom Verhalten eines Philipp Ruch. Wiederholungstäter, wie meiner Ansicht nach Philipp Ruch einer ist, sind Überzeugungstäter. Den Holocaust und seine Opfer für die eigene Eitelkeit auszubeuten, ist allerdings schon ein starkes Stück. Aber Philipp Ruch hat in den ganzen Jahren vorgearbeitet. Man erinnere sich nur Philipp Ruchs Aktion «Schweiz entköppeln» von 2016, in der er einen kamerunischen Voodoo-Priester engagierte, damit dieser einen Exorzismus an Roger Köppel, dem Herausgeber und Chef-Redakteur der «Weltwoche» und Nationalrat, durchführen könnte, weil Philipp Ruch allen Ernstes Roger Köppel attestiert hat, vom Geist Julius Streichers besessen zu sein.

Dabei wurde, die Weltanschaung eines afrikanischen Mannes für eine Aktion des «Zentrums für politische Schönheit»zur Schau gestellt und lächerlich gemacht. Denn säkularisierten Mitteleuropäern ist klar, dass Roger Köppel nicht vom Geist von Julius Streicher besessen ist. Trotzdem so eine Aktion durchzuführen, zeigt davon, wie wenig Respekt man von den religiösen Überzeugungen des Voodoo-Priesters aus Kamerun und von Roger Köppel hat. Für den Voodoo-Priester ist sein Ritual eine ernsthafte Angelegenheit, er glaubt an die Gebote und Rituale seiner Religion, sonst würde er sie ja nicht praktizieren. Für Herrn Köppel, der, wie ich annehme, wie die meisten Zürcher, ein säkularer Protestant ist, ist ein solches Ritual nicht nur lästig, sondern kann, auch gegen seine eigenen religiösen Überzeugungen sein.

Aber das alles hat Philipp Ruch nicht gekümmert und auch bei seiner, meiner Meinung nach, absolut widerlichen Säulen-Aktion war ihm wieder herzlich egal, dass er seine «politische Konzeptkunst» auf dem Rücken jener durchführt, die gelitten haben und gestorben sind und der Angehörigen dieser Menschen. Philipp Ruch, ein in der untergegangenen DDR sozialisierter, weisser Mann benutzt schwarze Menschen und tote Juden für seine «politische Konzeptkunst».

Das ist die wahre Tragödie. Dass im 21. Jahrhundert, trotz der Tatsache, dass immer noch Antisemiten verschiedener Couleur ihr Mütchen am Juden kühlen möchten und unsere Synagogen und andere jüdische Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen rund um die Uhr bewacht und mit Panzerglas gesichert werden müssen, man selbst unsere Toten für «seine Kunst» benutzen möchte. Als ob wir nicht schon genug gelitten hätten.

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