Wir müssen über Sexismus reden

Geehrte LeserInnen!

Vor einiger Zeit schrieb ich hier über meine Erfahrungen mit Antisemitismus. Nun muss ich hier über Sexismus schreiben, denn es ist etwas passiert, das mich nachhaltig verstört hat.

Kürzlich musste ich Conditioner und andere Hygieneprodukte kaufen. Als ich im Laden vor dem Gestell war und ein Produkt in mein Körbchen packte, gesellte sich ein Mann zu mir, denn ich erstens vorher noch nie gesehen habe und der zweitens eine Alkoholfahne hatte, die man aus mindestens zwei Metern Entfernung roch. Da ich ihn bewusst zu ignorieren versuchte, weil ich mir von niemandem sagen lasse, wie ich meine Haare zu pflegen habe und erst nicht von jemandem, der eine so offensichtliche Alkoholfahne hat, reagierte ich nicht darauf, als er mir sagte, dass wer so schöne Haare hätte wie ich, das alles nicht brauchen würde (wir standen vor dem Regal mit den Haarpflegeprodukten).

Die Tatsache, das ich stumm blieb, liess ihn wohl denken, dass ich der deutschen Sprache nicht mächtig sei, und führte dazu, dass er mich anschrie und dabei sagte: «Hallo, ich rede mit dir, du Scheiss-Asylantin, du Scheiss-Schlampe» (Dies sagte er im Zürcher Dialekt). Da er praktisch Schaum vor dem Mund hatte und so reagierte, hatte ich Angst, dass er gewalttätig werden würde und nahm deshalb meine Beine in die Hand, um Land zu gewinnen.

Dieses Ereignis hat dazu geführt, dass ich nun hier ein paar Zeilen dieser Mentalität und meinen bisherigen Erfahrungen damit widme. Mir ist bewusst, dass ich verglichen mit anderen Frauen weltweit in einer privilegierten Position bin, denn ich musste nie eine Burka oder dergleichen tragen, aber wenn man alles konstant mit dem Schlimmst möglichen vergleicht, ist echter Fortschritt nicht möglich, und deshalb berichte ich nun davon.

Etwas, das mir regelmässig passiert, weil ich nebenberuflich als Autorin und Bloggerin der schreibenden Zunft angehöre, ist, dass Männer mir gerne attestieren, dass ich keine Ahnung hätte von den Dingen, über die ich so schreibe, wie Osteuropa, den Kaukasus und den Nahen und Mittleren Osten. Wenn ich mich dann offfenbare und offenlege, dass ich Russisch in Wort und Schrift beherrsche, Georgisch spreche und als Kind unteranderem in Tbilisi und Moskau gelebt habe, reagieren die gleichen Männer, die mir vorher meine Expertiese bei diesen Themen abgesprochen haben, weil jemand aus «dem Westen» sowieso keine Ahnung hätte, in dem sie mich beschuldigen meine Karriere in der schreibenden Zunft durch sexuelle Gefälligkeiten erarbeitet zu haben. Es passiert mir regelmässig, dass mir irgendwelche Männer bei «Facebook» und «Twitter» schreiben und danach fragen, mit welcher Art von sexuellen Gefälligkeiten meine Wenigkeit es geschafft hätte, in den «Ruhrbaronen» und anderen Medien publiziert zu werden.

Traurigerweise wird mich auch attestiert, dass ich nur deshalb für jüdische Medien schreiben dürfe, weil ich Jüdin sei, obwohl viele Nicht-Judien regelmässig für jüdische Medien schreiben. Und ja, es ist sexistisch anzunehmen, dass eine junge Frau mit Wurzeln in Osteuropa nur deshalb publiziert wird, weil sie sich, salopp gesagt, prostituiert. Es ist übrigens nicht nur sexistisch, es ist absolut respektlos mir gegenüber.

Und nein, ich bin nicht zum rumopfern hier. Ich bin hier, weil ich will, dass dies in Zukunft aufhört, denn ich bin bei weitem nicht die Einzige, der sowas passiert. Deshalb schreibe ich darüber und deshalb müssen wir über Sexismus reden.

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Das Drama um die Auslandskorrespondenten

Geehrte Leser

Die Problematik ist mir aufgefallen, als ich mich mit einem Freund auf Facebook über die Berichterstattung der anti-klerikalen Proteste, die in diesem Jahr, im Iran stattgefunden haben, unterhalten habe. Es ging um das fast vollständige Fehlen jeglicher Berichterstattung in den deutschsprachigen Medien über jene Proteste, die 2018 aufgeflammt sind. Dies hat, meiner Ansicht nach, mit einem ganz bestimmten Problem innerhalb der Medienwelt zu tun: Dem Auslandskorrespondenten, beziehungsweise dem Bereich, den ein Auslandskorrespondent heutzutage abdecken muss.

Ein Beispiel: Für die deutsche Zeitung «Die Zeit» berichtet Martin Gehlen aus Kairo für die ganze (!) MENA-Region. Der Ausdruck MENA-Region kommt aus dem Englischen und beschreibt das Gebiet des Mittleren- und Nahen Osten. Ich will hier nicht unnötig polemisieren und Herr Gehlens Werk schmälern, aber man muss sich das vorstellen: Der Mann muss in seiner Berichterstattung ein Gebiet vom Maghreb bis zum Hindukusch abdecken! Ein Gebiet mit verschiedenen Ethnien (Arabern, Juden, Persern, Turkvölkern etc.) und verschiedenen Sprachen, die nicht alle miteinander verwandt sind. Zwar sind Arabisch und Hebräisch beides semitische Sprachen, doch sind beispielsweise Persisch und Turksprachen keine semitischen Sprachen und auch nicht miteinander verwandt. Was ich persönlich für Wahnsinn halte!  Und gerade dies führt dazu, dass viele Dinge innerhalb der Berichterstattung in der MENA-Region auf der Strecke bleiben. Eigentlich wird aus der MENA-Region nur dann etwas berichtet, wenn ein israelischer Politiker etwas sehr Dummes oder Bizarres sagt, oder wenn es irgendwo einen Anschlag oder einen Aufstand gibt. Oder wie mein Freund es sagte: Alles was die lieben Vorurteile bestätigt. Dabei interessiert mich persönlich die MENA-Region sehr und deshalb versuche ich mich, so gut es eben geht, mit israelischen und anderen Medien darüber zu informieren. Aber gerade deshalb fällt mir diese gar dürftige Berichterstattung in den deutschsprachigen Medien auf.

Aber die dürftige Berichterstattung der deutschsprachigen Medien beschränkt sich nicht nur auf die MENA-Region. Ich kann es beim besten Willen nicht anders formulieren, aber über den Kaukasus wird fast dreissig Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion so berichtet, als ob der «Eiserne Vorhang» noch stabil stehen würde. D.h. es berichtet oft ein Korrespondent aus Moskau, in vielen Fällen jemand der keiner Sprache mächtig ist, die im Kaukasus gesprochen wird und etliche Male, unbewusst oder nicht, ein pro-russisches Narrativ in seine Berichterstattung einfliessen lässt. Ganz ehrlich: Ich will hier niemandem unterstellen willentlich und wissentlich Fake-News und Fake-Reportagen a` la Claas Relotius zu verbreiten, aber mit einem solchen Ethos und einem solchen Hintergrund ist kaum objektiver Journalismus möglich. Ich konsumiere nicht nur deutschsprachige Medien, da ich fliessend Russisch kann und auch noch fähig bin englischsprachige Publikationen zu lesen. Aber viele Menschen, die deutschsprachige Medien als ihre einzige Informationsquellenutzen, bleiben so zu wichtigen Dingen nicht richtig informiert. Was ich, wiederum, für nicht nur schade, sondern dramatisch halte. Denn eine halbe Wahrheit ist keine ganze Lüge, aber auch nicht die vollständige Wahrheit. Des weiteren untergräbt ein solcher Ethos die Glaubwürdigkeit von Medienschaffenden und dies sorgt dafür, dass tatsächliche Fake-News und damit einhergehende Verschwörungstheorien immer mehr Anklang finden und dies ganz generell zu einer Ablehnung von Demokratie, Bürgerrechten und Bürgerpflichten und der Hinwendung zu starken Führern zur Folge haben kann. Ausserdem führt das auch noch zu einer starken eurozentristischen Berichterstattung, da ganz offensichtlich über Gebiete am Rande Europas oder im Nahen- und Mittleren Osten nur unvollständig berichtet wird und so das Narrativ der Bevölkerung dort nicht richtig in den deutschsprachigen Medien wiedergegeben wird. Da wird, in meinen Augen, die Grenze zum Chauvinismus krass geschnitten. Sowas ist in der vernetzten Welt des 21. Jahrhunderts eine Ungeheuerlichkeit. Diese Ungeheuerlichkeit ist aber eine Tatsache, die es genau darum zu kritisieren gilt, bis sich etwas zum Positiven ändert. Mir ist bewusst, dass diese Einsparung bei Auslandskorrespondenten einen finanziellen Hintergrund hat, aber die Folgen davon sind dramatisch und darum nicht weiter hinnehmbar. Auch und gerade wegen der Glaubwürdigkeit der schreibenden Zunft.