Geehrte Leser!
Auch auf die Gefahr hin, wieder mit dem Grinch oder den Taliban verglichen zu werden, so muss ich doch etwas loswerden: Ich feiere kein Weihnachten, ich feiere kein Weihnachten weil ich Jüdin bin. Klar gibt es auch Juden, die Weihnachten feiern und gefeiert haben. Aber ich feiere kein Weihnachten, habe ich noch nie getan. Als ich in Tbilisi bei meiner Grossmutter gelebt habe, haben wir, wie damals im post-sowjetischen Raum üblich, «Novi God» (dt: Neujahr) mit Mandarinen, Kulebyaka und Salat Olivier gefeiert und später, als ich bei meinem agnostischen Vater gelebt habe, sind mein Papa und ich am 24. zuerst zum Chinesen essen gegangen und dann ins Kino. Klar habe ich Geschenke bekommen, aber ich wusste immer, dass diese Geschenke von meinen Grosseltern und/oder meinem Vater waren. Ich bin zwar nicht orthodox, sondern fühle mich eher dem konservativen Judentum zugehörig, aber ich hatte auch nie das Bedürfnis, Weihnachten zu feiern, und feiere es deshalb nicht. Ein Tannenbaum kommt mir auch nicht ins Haus, da ich finde, dass das Ding nur Platz raubt und Dreck macht, und ich finde, dass Glühwein wie Erbrochenes stinkt. Weihnachtsmärkte ansich, sind aber für mich durchaus in Ordnung.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe nichts dagegen, wenn andere Leute Weihnachten feiern und sich einen Tannenbaum ins Wohnquartier stellen, aber das ist nichts für mich und ich bin die entsetzten Reaktionen leid, die ich bekomme, wenn ich sage, dass ich kein Weihnachten feiere und auch, wenn ich später Kinder haben werde nicht vorhabe, Weihnachten zu feieren. Ich bin es leid, mit Taliban verglichen zu werden und gesagt zu bekommen, wie untolerant und radikal und fanatisch ich sei, und das irgendwer, den ich überhaupt nicht kenne, der auch jüdisch/nicht-christlich ist, Weihnachten feiert und ich es doch deshalb versuchen solle. Tut mir leid, aber ich finde diese Form des Paternalismus vulgär, übergriffig und absolut unangebracht. Zumal ich damit, dass ich stattdessen mit meinem lieben Adoptivonkel Chanukkah feiere und wenn nicht gerade Weihnachten und Chanukkah am selben Datum sind, mit meinen Aktivitäten, nämlich Horrorfilme ansehen und asiatisch essen gehen, niemandem ein Leid antue.
Auch verstehe ich die ganze Affäre um die Festtagsgrüsse nicht. Es ist doch egal, ob jemand „schöne Festtage“ anstatt „frohe Weihnachten“ wünscht?
Also ich wünsche „schöne Festage“, weil ich erstens selber kein Weihnachten feiere, weil ich Jüdin bin und weil am 22. Dezember die Yalda-Nacht, ein Fest von Menschen aus dem iranischen Kulturkreis, war, vom 22. Dezember bis am 30. Dezember Chanukkah ist und vom 25. Dezember bis 26. Dezember das Weihnachten der protestantischen und römisch-katholischen Christen ist. Das sollte doch kein Problem darstellen.
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