Geehrte LeserInnen!
Es ist wieder Zeit für einen Beitrag aus meiner allseits beliebten Reihe «Bekenntnisse eines Vatanforoosh», denn iranische antiklerikale Oppositionelle haben wieder etwas angestellt, bei dem vernunftbegabte Menschen nicht wissen, ob sie lachen oder weinen sollen. Es geht darum, dass exil-iranische Oppositionelle in den letzten Monaten auf Fallen des iranischen Regimes reingefallen sind und deshalb vom iranischen Regime gefangen genommen werden konnten. Prominentes Beispiel für diesen Irrsinn ist der Gründer der Nachrichtenseite «AMAD News», Ruhollah Zam. Dieser ist in den Irak gereist, weil ihm angeblich eine schöne Frau 25 Millionen Dollar versprochen hatte. Dies stellte sich als Falle der Pasdaran/Revolutionsgarden heraus, er wurde im Irak entführt und in den Iran gebracht, wo er nach einem Schauprozess zum Tode verurteilt wurde und nun auf seine Hinrichtung wartet. Als dies geschah, verglich ein iranischer Bekannter dies mit dem sogenannten «Enkeltrick», bei dem ältere Menschen um ihr Vermögen und ihre Würde gebracht werden. Aber Ruhollah Zam ist nicht so alt, um senil und dement zu sein, um diese unglaubliche Ignoranz zu erklären.
Aber Ruhollah Zam war nicht der einzige antiklerikale Oppositionelle, der, einem dementen Alten gleich, vom iranischen Regime nach Strich und Faden verarscht wurde: Wie einige Medien in den letzten Tagen berichtet haben, so wurde ein anderer antiklerikaler Oppositioneller namens Jamshid Sharmahd aus dem sicheren amerikanischen Exil nach Dubai gelockt, von dort zuerst in den Oman überstellt und danach in den Iran entführt und schliesslich gefangen genommen. Herr Sharmahd war offensichtlich der Vorsitzende einer monarchistischen Oppositionsgruppe namens «Tondar» (dt:Donner), die ihren Sitz in Kalifornien hat und von dort ihre Oppositionstätigkeit koordiniert. Nun sitzt auch er in einem der berühmt-berüchtigten Foltergefängnisse des iranischen Regimes und wartet darauf hingerichtet zu werden.
Und Menschen wie unsereiner fragen sich, wie diese antiklerikalen Oppositionellen so verdammt naiv sein können, um auf solche Teufeliaden des Regimes reinzufallen und das (halbwegs) sichere Exil zu verlassen, um dann zu Geiseln des Regimes zu Teheran zu werden. Noch naiver sind nur die Anhänger der Unglückseligen, die diese Posse, auf die ihre Idole reingefallen sind, auch noch verteidigen und nun mit Petitionen, Solidaritätsaufrufen und dergleichen für sie hausieren gehen.
Ich wünsche mir sehr, dass das iranische Regime bald auf dem Müllhaufen der Geschichte landet, doch ich kann mich nicht mit Menschen solidarisieren, die so grob fahrlässig und naiv handeln und damit sich und andere gefährden, wenn selbst ich als Nicht-Iranerin weiss, wie gefährlich das Regime zu Teheran ist und darum per se bestimmte Länder, Covid-19 hin oder her, schlicht meide, weil ich zu paranoid bin, dass ich dort festgenommen und eventuell an den Iran überstellt werde. Bei diesen Staaten handelt es sich nicht nur um fragile Staaten, die auf dem besten oder schlechtesten Weg sind, «failed states», zu Deutsch «gescheiterte Staaten», zu werden wie zum Beispiel Afghanistan oder der Irak. Nein, ich meide auch Staaten wie Armenien, die Türkei und andere Staaten, die für bessere Beziehungen zu Teheran, sprich für etwas «Schwarzes Gold», d.h. Erdöl, über Leichen gehen würden. Und wie gesagt: Ich bin keine Iranerin, aber ich engagiere mich lange genug gegen das Regime zu Teheran, um zu wissen, dass dieses schon die Französin Clothilde Reiss als Geisel gehalten hat und nun die australisch-britische Doppelbürgerin Doktor Kyle Moore-Gilbert als Geisel hält. Wenn das Regime keine Skrupel kennt, Nicht-Iraner als Geiseln zu nehmen, dann müssen Iraner doppelt und dreifach Vorsicht walten lassen, um nicht in die Fänge des Regimes zu Teheran zu gelangen, zumal der Iran doppelte Staatsbürgerschaften nicht anerkennt.
Somit ist die Naivität die von Teilen der antiklerikalen Opposition an den Tag gelegt wird, einfach nicht zu verantworten und nicht zu verteidigen. Aber wenn Sie meiner Schreibe zu diesem Thema folgen, dürfte es Sie nicht überraschen, dass ich Teilen der iranischen Opposition attestiere, noch chaotischer und unorganisierter als ein Bordell und weder willens, noch fähig zu sein, das Regime von Teheran herauszufordern, und stattdessen im Grössenwahn und in den gescheiterten Imperien vergangener Tage Trost zu suchen. Somit ist die jetzige Situation, so tragisch sie auch ist, nicht weiter überrraschend, denn würden Teile der antiklerikalen Opposition das Regime zu Teheran mit dem gleichen Furor bekämpfen, mit dem sie dieser Tage in Fettnäpfchen treten und davon träumen Nakhchivan, Lazestan und Derbent zu erobern, wäre das Regime nunmehr Geschichte.
Um diesen Text mit etwas Positivem abzuschliessen: Durch die grobfahrlässige Inkompetenz und den Grössenwahn der antiklerikalen iranischen Opposition gehen mir zumindest in nächster Zeit nicht die Themen zum Schreiben aus. Was nicht nur mich, sondern auch Sie, meine sehr geschätzten Leser und Leserinnen sicher sehr freut. In diesem Sinne: Man liest sich bald.
*Vatanforoosh bedeutet auf Persisch «Landesveräter» und so nennen mich Iraner, weil ich als Georgierin nicht auf Georgiens Unabhängigkeit verzichten will, kein Farsi spreche, mich der persischen Kultur nicht zugehörig fühle und nicht bereit bin, für den Iran zu sterben. Den Iranern, die in mir deshalb eine Landesverräterin sehen, sei gesagt: «Dissent is the highest form of Patriotism» (dt. Dissens ist die höchste Form des Patriotismus.)
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