Bekenntnisse eines Vatanforoosh*: Warum ich für Iraner eine Stalinistin bin

Geehrte LeserInnen!

Offenbar bin ich nach Ansicht vieler Iraner eine «Stalinistin», etwas, das ich in all den Jahren meines politischen Bewusstseins nicht bemerkt habe. Was macht mich zu einer Stalinistin, fragen Sie sich bestimmt nun. Bin ich etwa dafür,  meine Gegner bei Säuberungen zu ermorden oder sie in den Gulag zu schicken? Nein, etwas ganz anderes: Ich bin georgische Staatsbürgerin und möchte nicht die Souveränität der Republik Georgien für die Auferstehung des Persischen Reiches aufgeben. Auch beschuldigen viele Iraner neuerdings Georgien des Wasserdiebstahls, weil in Georgien der Enguri-Damm repariert wurde. Auch die Tatsache, dass Georgien auf seinem Staatsgebiet ein Wasserkraftwerk repariert, das mehr als 800 km von der iranischen Grenze entfernt liegt, bringt mich vor Iranern nicht in Verlegenheit. Das ist es, meine sehr geschätzten Damen und Herren, was mich in den Augen vieler Iraner zu einer Stalinistin macht.

Denn die unzähligen Bücher, die auch von westlichen Historikern wie Donald Rayfield geschrieben wurden, über die grausame Herrschaft der persischen Schahs im Kaukasus, sind samt und sonders stalinistische Propaganda. Auch die zahlreichen Heiligen und Märtyrer, die von der georgisch-orthodoxen Kirche heiliggesprochen wurden, weil sie aufgrund der persischen Okkupation des Kaukasus allgemein und von Georgien im Besonderen gestorben sind, sind nichts weiter als, dreimal dürfen Sie raten, stalinistische Propaganda.

Nach Ansicht vieler Iraner lebten Perser und Georgier wie Brüder in den verschiedenen persischen Reichen und alles andere ist, Sie ahnen es schon, stalinistische Propaganda. Auf meinen Einwand, ob Sie damit meinen, dass diese Bruderliebe ähnlich wie bei Kain und Abel oder wie bei Kambyses II und Bardiya gewesen sei, wurde ich als «Stalinistin» und «Vatanforoosh*» beschimpft.

Nun ist meine Wenigkeit es schon gewohnt, von Iranern/Persern als «Vatanforoosh» und dergleichen beschimpft zu werden, wie Sie nur unschwer an meiner allseits beliebten Reihe «Bekenntnisse eines Vatanforoosh» sehen können. Aber dass ich als «Stalinistin» beschimpft werde, ist selbst für mich ein Novum. Wie so oft im Leben, könnte ich über diese Situation lachen, wenn die ganze Situation dahinter nicht so tragisch wäre.

Zuallererst: Meine jüdisch-ukrainischen und georgisch-mingrelischen Vorfahren und Verwandten haben während des Stalinismus und der «Grossen Säuberung» extrem gelitten. Mein jüdischer Ur-Grossvater mütterlicherseits wurde 1936 erschossen und meine Ur-Grossmutter musste ihre Kinder als Witwe eines «Volksfeindes» alleine grossziehen. Kein leichtes Unterfangen in der Sowjetunion jener Tage. Mein georgisch-mingrelischer Ur-Grossvater auch mütterlicherseits wurde ins Arbeitslager geschickt, weil man ihn verdächtigt hatte, mit der georgischen Exil-Regierung in Frankreich zu korrespondieren und sich gegen die Sowjetunion verschworen zu haben. Verwandte von mir wurden während der sogenannten «mingrelischen Affäre» (das ist keine schöne, erotische Geschichte wie aus «Tausendundeiner Nacht», sondern die paranoide Unterdrückung und Schikane von ethnischen Mingreliern** während Stalins letzten Lebensjahren) verschleppt. Mich, die Nachfahrin derer, die so gelitten haben, nun als «Stalinistin» zu beschimpfen, ist der Gipfel der Niedertracht.

Hinzu kommt noch etwas Anderes: die offensichtliche Tragödie des Iran. Derzeit wird der Iran von einem unmenschlichen Regime regiert, das sich nicht davor scheut, selbst Minderjährige zu meucheln, und deshalb Vize-Weltmeister bei der Vollstreckung der Todesstrafe ist. Zu allem Übel sind Teile der iranischen Diaspora und somit der iranischen Opposition Geiseln ihres ureigenen Grössenwahns. Das führt dazu, dass sich diese Iraner irredentistischen Fieberträumen von der Auferstehung des Perserreiches hingeben und Menschen wie meine Wenigkeit beschimpfen und bedrohen, während das Regime weiterhin seinem Tagwerk aus Mord und Unterdrückung nachgeht.

Seit über einundvierzig Jahren schaffen es diese Iraner nicht, das Regime loszuwerden. Stattdessen attackieren sie nun Leute wie mich und sehen den Zusammenbruch der Sowjetunion nicht als Warnung, sondern als Einladung an, sich die südkaukasischen Ex-Sowjetrepubliken wie Armenien, Aserbaidschan und Georgien und Teile des russisch beherrschten Nordkaukasus, namentlich Derbent, einzuverleiben. Alles im Namen der Wiederauferstehung des persischen Reiches. Lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen: Männer, die noch nicht mal in Teheran die Macht haben, träumen davon, Tbilisi zu erobern, obwohl Sie derzeit im Exil weilen, weil das Regime der Statthalterschaft der Rechtsgelehrten immer noch am Ruder ist.

Die Kombination aus Unfähigkeit und Grössenwahn von Teilen der antiklerikalen Opposition, die sich auf Kleinkriege gegen Menschen wie mich beschränkt, ist es, die dafür sorgt, dass das Regime immer noch schalten und walten kann, wie es ihm beliebt.

Klar bin ich immer noch für drastische Sanktionen gegenüber dem Regime von Teheran und im Endeffekt auch für einen Regimechange. Doch es gibt Gründe, warum es noch keinen Regimechange gegeben hat, und diese Gründe findet man unter den Iranern. Es sind die Gründe, die ich in diesem Text, wieder einmal, aufgeschrieben habe. So lange das nicht ändert, wird es auch, tragischerweise, keinen Regimechange geben und das Regime der Statthalterschaft der Gelehrten darf sich darüber ins Fäustchen lachen.

Und ich darf mich weiterhin von diesen Herren beschimpfen, bedrohen und attackieren lassen. Weshalb ich auch weiterhin gedenke, Texte, wie diesen hier, zu verfassen.

*Vatanforoosh bedeutet auf Persisch «Landesveräter» und so nennen mich Iraner, weil ich als Georgierin nicht auf Georgiens Unabhängigkeit verzichten will, kein Farsi spreche, mich der persischen Kultur nicht zugehörig fühle und nicht bereit bin, für den Iran zu sterben. Den Iranern, die in mir deshalb eine Landesverräterin sehen, sei gesagt: «Dissent is the highest form of Patriotism» (dt. Dissens ist die höchste Form des Patriotismus.)

**Ich bin mütterlicherseits ukrainisch-jüdischer und georgisch-mingrelischer Abstammung.

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Bekentnnisse eines Vatanforoosh: Die Nachwehen eines gescheiterten Imperiums

Geehrte LeserInnen!

Wie Sie unschwer am Titel des heutigen Beitrags sehen, arbeite ich mich mal wieder am Grössenwahn der Iraner ab, genauer einer persisch-chauvinistischen Fraktion innerhalb der antiklerikalen Opposition. Denn was muss, das muss. Nach dem vor einigen Wochen der «Tag des persischen Golfs» war, bei dem sich sowohl das Regime wie auch Teile der antiklerikalen Opposition in nationalistischer Rhetorik überboten haben, aufgrund eines Gewässers. Im Grunde geht es darum, wie der Golf bezeichnet wird, der den Iran von den arabischen Staaten wie den Emiraten auf der anderen Seite des Gewässers trennt. Araber nennen dieses Gewässer «arabischer Golf» und Iraner nennen dieses Gewässer «persischer Golf» und reagieren so, als ob man deren Mütter beleidigt hat, wenn einem in deren Anwesenheit «arabischer Golf» rausrutscht.

Ich persönlich verstehe die Entrüstung nicht, wenn der Golf als «arabischer Golf» bezeichnet wird. Wäre ich Iranerin, ich wäre mehr über den Mangel an Menschen- und Bürgerrechten in meinem Heimatland empört als über den Namen eines Gewässers. Aber nun denn, ich bin ja bekanntermassen georgischer Herkunft und als «Gorji»  (dt. Georgier/Georgierin) und «Ghafghazi» (dt. Kaukasier/Kaukasierin/kaukasisch) bin ich für Iraner, die dem persisch-chauvinistischen Teil innerhalb der antiklerikalen Opposition angehören, automatisch eine Landesverräterin und dies freilich ohne Bürgerin des Iran zu sein.

Und das ist immer noch das Problem von Teilen der antiklerikalen Opposition: Dieser persische Chauvinismus! Die fehlende Einsicht, dass man kein Imperium mehr ist und nie wieder eines sein wird. Die Tatsache, dass man mit seinem Hintern in Glendale, Brentwood oder Toronto sitzt und immer noch davon träumt, Nakhchivan und Lazestan/ Egrisi* wieder zu beherrschen. Dass man sich überhaupt das Recht herausnimmt, davon zu träumen, diese Gebiete wieder zu beherrschen! Dass man überhaupt daran denkt, dass die Terrirtorien souveräner Staaten wieder zur Verhandlungsmasse werden aufgrund eines von persischem Chauvinismus angetriebenen Grössenwahns.

Das was ich jetzt schreibe, werden Teile der antiklerikalen Opposition nicht gerne lesen oder sehen, aber wie gesagt: Was muss, das muss. In ihrem Grössenwahn stehen die persischen Chauvinisten innerhalb der antiklerikalen Opposition dem Regime in nichts nach. Damit machen sie sich, unbewusst, zu Helfeshelfern des Regimes, weil sie wertvolle Zeit und Ressourcen dafür verschwenden, indem sie ihren grössenwahnsinnigen Träumen nach hängen, während das Regime weiterhin Menschen am helllichten Tage erhängt und afghanische Migranten in Grenzflüssen ertränkt.

Zu den afghanischen Migranten muss gesagt werden, dass der persische Chauvinismus gegenüber diesen Menschen besonders bitter ist, denn der Iran und Afghanistan haben viel gemeinsam, beides sind Staaten im Mittleren Osten mit einer persischsprachigen Mehrheitsbevölkerung und einer islamisch geprägten Kultur. Aber Afghanistan wird vom Tribalismus heimgesucht, während der Iran die Geisel des Islamismus und des bisher eher wenig beachteten persischen Chauvinismus ist. Auch ist die Haltung vieler Iraner gegenüber den regionalen Nachbarn, die sich nicht dem perischen Kulturkreis zugehörig fühlen, gelinde gesagt, vorwiegend auf Feindschaft und Verachtung aufgebaut. Wie ich schon in früheren Beiträgen erwähnt habe, gibt es in der persischen Sprache einen Begriff für solcherlei Menschen: «Aniran», ein «Aniran» ist ein Nicht-Arier/Nicht-Iraner, sprich jemand der türkischer oder kaukasischer Herkunft ist und nach Ansicht vieler Iraner deshalb primitiv und verräterisch. Dies führt dazu, dass viele persische Iraner pauschal Menschen wie mir Menschen- und Bürgerrechte absprechen.

Diese Nachwehen eines gescheiterten Imperiums sind es, die das Regime der Statthalter der Rechtsgelehrten an der Macht halten. Denn trotz aller Naturkatastrophen wie Fluten, Dürren und Erdbeben, die den Iran in den letzten Jahren heimgesucht haben, und trotz der Covid-19-Pandemie, die aufgrund der kriminellen Gleichgültigkeit der Mullahs nun im Iran wütet, ist das Regime immer noch an der Macht, und das schon seit mehr als einundvierzig Jahren. Die persisch-chauvinistische Fraktion innerhalb der antiklerikalen Opposition sollte das mal zur Kenntnis nehmen, anstatt den Untergang der Sowjetunion als Einladung, anstelle einer Warnung, zu verstehen, um sich die südkaukasischen Sowjetrepubliken unter den Nagel zu reissen. Diese Mentalität hat bisher zu nichts geführt, ausser zu der Tatsache, dass wir Zeuge werden, wie der mörderische Greis Khameini nun Ebrahim Raisi, einen Mann mit mehr als genug Blut an den Händen, zu seinem Nachfolger vorbereitet.

Zu der offensichtlichen Tragödie des Iran kommt noch hinzu, dass der Iran mit diesem Regime an der Macht weiterhin die sogenannte «Islamische Revolution», sprich schiitischen, islamistischen Terrror exportiert und somit nicht nur die iranische Bevölkerung, sondern eine ganze Region terrorisiert und bespielsweise absolut grundlos Passagierflugzeuge abschiesst. Diese «Erfolge» des Regimes sind der Schwäche der antiklerikalen Opposition geschuldet, es lässt sich nicht anders sagen. Einer antiklerikalen Opposition, von der Teile immer noch die Schuld am Elend des Iran bei Akteuren wie Alexander dem Grossen, den Bewohnern des Kaukasus, der turksprachigen Minderheit innerhalb des Iran und der arabischen Invasion und der anschliessenden Islamisierung suchen, anstatt im hier und heute nach effektiven Lösungen zu suchen, wie man das Regime der Statthalterschaft der Rechtsgelehrten endgültig auf den Müllhaufen der Geschichte befördern könnte. So wird die Tragödie des Iran, unter der auch Nicht-Iraner leiden, bedauerlicherweise nur verlängert.

*Lazestan ist das persische und türkische Exonym für das west-georgische Terrritorium, das am Schwarzen Meer liegt und auf Georgisch «Egrisi» heisst. Griechischen Quellen zufolge, die dieses Gebiet «Colchis» nennen, war Egrisi der Ort, zu dem die Argonauten segelten und wo das goldene Vlies zu finden war. Gemäss dem kaukasischen Gelehrten Cyrill Toumanoff war Egrisi die erste kaukasische Entität und das erste georgische Königreich, das das Licht der Welt der erblickte.

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