Bekenntnisse eines Vatanforoosh*: Es ist nicht nur das Regime

Geehrte LeserInnen!

Es freut mich hier mitzuteilen, dass ich wieder einmal eine Episode zu meiner allseits beliebten Reihe «Bekenntnisse eines Vatanforoosh» hinzufügen kann und darf. Auch heute geht es darum, wie IranerInnen, ja ich rede von durchschnittlichen IranerInnen, und nicht das iranische Regime echten Fortschritt im Iran sabotieren.

Zuallererst müssen wir über sogenannte «Ehrenmorde» reden. Nach Angaben der Nachrichtenseite «Iran Journal» sind 30% der Morde im Iran Ehrenmorde, nach Angaben von «Iran International» aus London sind nur 20% der Morde im Iran sogenannte Ehrenmorde. Wie dem auch sei. Tatsache ist das mindestens 1/5 der Morde sogenannte «Ehrenmorde» sind, bei denen männliche Angehörige eine reduzierte Strafe von höchstens 10 Jahren Gefängnis kriegen und einem lächerlich geringen Blutgeld, das sie entrichten müssen, wenn sie ihre weiblichen Angehörigen aus vermeintlich verletzter Ehre ermorden. Dies im Vergleich zu einem «normalen Mord», für den man in der Islamischen Republik Iran hingerichtet werden kann.

Ein «Ehrenmord», der den Iran in den letzten Wochen erschüttert hat, war der Mord an der vierzehnjährigen Romina Ashrafi aus Gilan, die im Schlaf von ihrem Vater, Reza Ashrafi, enthauptet wurde. D.h. ihr eigener Vater handelte wie ein IS-Terrorist. Und bevor die iranischen Apologeten wieder aus ihren Löchern kriechen und die arabische Invasion vor 1400 Jahren, türkische Nomadenstämme aus Zentralasien, die Pasdaran/Revolutionsgarden, Basiji und andere für diese barbarische Untat verantwortlich machen, möchte ich daran erinnern, dass niemand in das Haus der Ashrafis eingebrochen ist und den Vater von Romina Ashrafi gezwungen hat, seine eigene(!) Tochter mit einer Sichel zu enthaupten, während sie geschlafen hat. Das hat er ganz alleine getan! Wie auch all die anderen iranischen Männer, die diese Ehrenmorde begangen haben!

Überhaupt diese Schulduzuweisungen von IranerInnen, die allen möglichen Persönlichkeiten und Ereignissen die Schuld dafür geben, dass der Iran heute in dieser erbärmlichen Lage ist, ist widerlich und verhindert meiner Ansicht nach echten Fortschritt. Weder die Tatsache, dass Alexander der Grosse Persepolis abgefackelt hat, dies nachdem die Perser Athen abgefackelt hatten, noch die arabische Invasion und die anschliessende Islamisierung vor 1400 Jahren können noch als Entschuldigung dafür dienen, dass der Iran heute Probleme bis zum Abwinken hat. Ich kann diese billigen Entschuldigungen nicht mehr hören.

Was ich auch nicht mehr hören kann und will, sind diese mentalen Wichsvorlagen von persischen Chauvinisten, Imperialisten und Irredentisten! Das iranische Regime ist seit nunmehr 41 Jahren an der Macht und kann theoretisch noch 41 weitere Jahre an der Macht sein, weil gewisse Iraner sich lieber in Grossmachtsfantasien von der Auferstehung des Perserreiches hingeben, anstatt im hier und heute sich dem Regime in den Weg zu stellen und dieses herauszufordern. Ich bin es wirklich leid, von IranerInnen beschimpft, erniedrigt und bedroht zu werden und gesagt zu bekommen, dass Georgien kein «richtiges Land», ein «Shithole» oder gar «Teil des Iran» sei, während der Iran selber im tiefer im Unglück versinkt.

Es ist erbärmlich, dass erwachsene Menschen sich so gebären und lieber tausendundeine Erklärung dafür herbeizaubern, warum der Iran heute so abgewirtschaftet ist oder warum ihrer Meinung nach Georgien integraler Teil des Iran ist anstatt sich mit der nunmehr einundvierzigjährigen Terrorherrschaft der Mullahs auseinanderzusetzen und diese so bald wie möglich zu beenden.Übrigens, eine Erklärung, die ich in den letzten Tagen oft hörte, war die, dass Georgien deshalb Teil des Iran sei, weil Schah Abbas der vermeintlich Grosse die georgische Prinzessin Martha Bagration/Martha Khanum geehelicht hat. Wenn dem so wäre, dann wäre Österreich eine französische Provinz, weil Marie Antoinette eine gebürtige Österreicherin aus dem Hause Habsburg gewesen ist.

Sie sehen nun, mit was für Wahnsinn sich unsereiner dieser Tage rumschlagen muss. Darum bin ich der Meinung, dass nicht nur das Regime für die zahlreichen Probleme des Iran und der Region verantwortlich ist, sondern auch viele IranerInnen selber es sind. Nicht nur deshalb, weil das Regime und dessen Anhänger sich aus der Masse der iranischen Bevölkerung rekrutieren, sondern auch, weil antiklerikale Oppositionelle sich lieber im Ruhm vergangener Tage und von gescheiterten Imperien sonnen, anstatt im hier und heute dem Regime den Gar aus zu machen. Denn es ist weder die Aufgabe der Tzahal/IDF noch von KurdInnen oder GeorgierInnen, den Iran zu befreien. Es ist die Aufgabe der IranerInnen selber. Es ist mir auch absolut unverständlich, wie erwachsene Menschen mit Bildung denken können, dass sie dazu auserkoren sind, ein Imperium auferstehen zu lassen, das vor mehr als 200 Jahren gescheitert ist, und dann nicht nur über den Iran, sondern auch über Bahrain, Armenien, Georgien, Aserbaidschan und andere Länder zu herrschen. Nicht nur ist es mir absolut unverständlich. Mir ist auch bewusst, dass diese Mentalität im hier und jetzt den Regime-Change und damit Fortschritt verhindert.

Zu guter Letzt an die IranerInnen, die denken, dass es nur eine Frage von Wochen und Monaten ist, bis das Regime Geschichte** ist, und dass das Regime heute dort ist, wo die Sowjetunion in den Achtzigern war: Warum lernt ihr nichts aus den Fehlern von damals? Ich darf daran erinnern, dass die Sowjetunion nicht nur ökonomisch gescheitert ist, sondern auch auseinanderbrach. Denkt ihr wirklich, dass all die AserbaidschanerInnen, KurdInnen, Ahwaz-AraberInnen und andere Minderheiten glücklich über eure Herrschaft und euren Chauvinismus sind? Glaubt ihr wirklich, dass die GeorgierInnen und andere Kaukasusvölker glücklich unter eurer Knutte gelebt haben? Wie ich schon oft gesagt habe: Zu viele IranerInnen verstehen den Zusammenbruch der Sowjetunion nicht als Warnung, sondern als Einladung. Unteranderem darum ist das Regime bis heute noch an der Macht. Unteranderem deshalb sind Nicht-IranerInnen wie meine Wenigkeit dazu gezwungen, uns gegen das Regime von Teheran zu engagieren. Genau deshalb verfasse ich Texte, wie diesen hier. Weil Teile der antiklerikalen iranischen Opposition in den letzten 41 Jahren ihre Unfähigkeit, mit dem Regime fertig zu werden, demonstriert haben und weil dieses Regime bis heute die Welt erpresst, Nicht-IranerInnen wie die australisch-britische Wissenschaftlerin Kyle Moore-Gilbert als Geiseln nimmt und den Juden unter den Staaten, Israel, bedroht und terrorisiert. Genau darum ist meine Kritik notwendig, weil es eben nicht nur das Regime, sondern auch das Versagen der durchschnittlichen IranerInnen ist, das dieses Regime an der Macht hält.

 

*Vatanforoosh bedeutet auf Persisch «Landesveräter» und so nennen mich IranerInnen, weil ich als Georgierin nicht auf Georgiens Unabhängigkeit verzichten will, kein Farsi spreche, mich der persischen Kultur nicht zugehörig fühle und nicht bereit bin, für den Iran zu sterben. Den IranernInnen, die in mir deshalb eine Landesverräterin sehen, sei gesagt: «Dissent is the highest form of Patriotism» (dt. Dissens ist die höchste Form des Patriotismus.)

**Das sind übrigens Sätze, die ich schon 2009 gehört habe. Danach hatten zum Beispiel die Ukrainer eine erfolgreiche Revolution auf dem «Maidan», aber  der Iran wird bis heute von irren Fanatikern regiert.

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Bekenntnisse eines Vatanforoosh*: Warum ich für Iraner eine Stalinistin bin

Geehrte LeserInnen!

Offenbar bin ich nach Ansicht vieler Iraner eine «Stalinistin», etwas, das ich in all den Jahren meines politischen Bewusstseins nicht bemerkt habe. Was macht mich zu einer Stalinistin, fragen Sie sich bestimmt nun. Bin ich etwa dafür,  meine Gegner bei Säuberungen zu ermorden oder sie in den Gulag zu schicken? Nein, etwas ganz anderes: Ich bin georgische Staatsbürgerin und möchte nicht die Souveränität der Republik Georgien für die Auferstehung des Persischen Reiches aufgeben. Auch beschuldigen viele Iraner neuerdings Georgien des Wasserdiebstahls, weil in Georgien der Enguri-Damm repariert wurde. Auch die Tatsache, dass Georgien auf seinem Staatsgebiet ein Wasserkraftwerk repariert, das mehr als 800 km von der iranischen Grenze entfernt liegt, bringt mich vor Iranern nicht in Verlegenheit. Das ist es, meine sehr geschätzten Damen und Herren, was mich in den Augen vieler Iraner zu einer Stalinistin macht.

Denn die unzähligen Bücher, die auch von westlichen Historikern wie Donald Rayfield geschrieben wurden, über die grausame Herrschaft der persischen Schahs im Kaukasus, sind samt und sonders stalinistische Propaganda. Auch die zahlreichen Heiligen und Märtyrer, die von der georgisch-orthodoxen Kirche heiliggesprochen wurden, weil sie aufgrund der persischen Okkupation des Kaukasus allgemein und von Georgien im Besonderen gestorben sind, sind nichts weiter als, dreimal dürfen Sie raten, stalinistische Propaganda.

Nach Ansicht vieler Iraner lebten Perser und Georgier wie Brüder in den verschiedenen persischen Reichen und alles andere ist, Sie ahnen es schon, stalinistische Propaganda. Auf meinen Einwand, ob Sie damit meinen, dass diese Bruderliebe ähnlich wie bei Kain und Abel oder wie bei Kambyses II und Bardiya gewesen sei, wurde ich als «Stalinistin» und «Vatanforoosh*» beschimpft.

Nun ist meine Wenigkeit es schon gewohnt, von Iranern/Persern als «Vatanforoosh» und dergleichen beschimpft zu werden, wie Sie nur unschwer an meiner allseits beliebten Reihe «Bekenntnisse eines Vatanforoosh» sehen können. Aber dass ich als «Stalinistin» beschimpft werde, ist selbst für mich ein Novum. Wie so oft im Leben, könnte ich über diese Situation lachen, wenn die ganze Situation dahinter nicht so tragisch wäre.

Zuallererst: Meine jüdisch-ukrainischen und georgisch-mingrelischen Vorfahren und Verwandten haben während des Stalinismus und der «Grossen Säuberung» extrem gelitten. Mein jüdischer Ur-Grossvater mütterlicherseits wurde 1936 erschossen und meine Ur-Grossmutter musste ihre Kinder als Witwe eines «Volksfeindes» alleine grossziehen. Kein leichtes Unterfangen in der Sowjetunion jener Tage. Mein georgisch-mingrelischer Ur-Grossvater auch mütterlicherseits wurde ins Arbeitslager geschickt, weil man ihn verdächtigt hatte, mit der georgischen Exil-Regierung in Frankreich zu korrespondieren und sich gegen die Sowjetunion verschworen zu haben. Verwandte von mir wurden während der sogenannten «mingrelischen Affäre» (das ist keine schöne, erotische Geschichte wie aus «Tausendundeiner Nacht», sondern die paranoide Unterdrückung und Schikane von ethnischen Mingreliern** während Stalins letzten Lebensjahren) verschleppt. Mich, die Nachfahrin derer, die so gelitten haben, nun als «Stalinistin» zu beschimpfen, ist der Gipfel der Niedertracht.

Hinzu kommt noch etwas Anderes: die offensichtliche Tragödie des Iran. Derzeit wird der Iran von einem unmenschlichen Regime regiert, das sich nicht davor scheut, selbst Minderjährige zu meucheln, und deshalb Vize-Weltmeister bei der Vollstreckung der Todesstrafe ist. Zu allem Übel sind Teile der iranischen Diaspora und somit der iranischen Opposition Geiseln ihres ureigenen Grössenwahns. Das führt dazu, dass sich diese Iraner irredentistischen Fieberträumen von der Auferstehung des Perserreiches hingeben und Menschen wie meine Wenigkeit beschimpfen und bedrohen, während das Regime weiterhin seinem Tagwerk aus Mord und Unterdrückung nachgeht.

Seit über einundvierzig Jahren schaffen es diese Iraner nicht, das Regime loszuwerden. Stattdessen attackieren sie nun Leute wie mich und sehen den Zusammenbruch der Sowjetunion nicht als Warnung, sondern als Einladung an, sich die südkaukasischen Ex-Sowjetrepubliken wie Armenien, Aserbaidschan und Georgien und Teile des russisch beherrschten Nordkaukasus, namentlich Derbent, einzuverleiben. Alles im Namen der Wiederauferstehung des persischen Reiches. Lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen: Männer, die noch nicht mal in Teheran die Macht haben, träumen davon, Tbilisi zu erobern, obwohl Sie derzeit im Exil weilen, weil das Regime der Statthalterschaft der Rechtsgelehrten immer noch am Ruder ist.

Die Kombination aus Unfähigkeit und Grössenwahn von Teilen der antiklerikalen Opposition, die sich auf Kleinkriege gegen Menschen wie mich beschränkt, ist es, die dafür sorgt, dass das Regime immer noch schalten und walten kann, wie es ihm beliebt.

Klar bin ich immer noch für drastische Sanktionen gegenüber dem Regime von Teheran und im Endeffekt auch für einen Regimechange. Doch es gibt Gründe, warum es noch keinen Regimechange gegeben hat, und diese Gründe findet man unter den Iranern. Es sind die Gründe, die ich in diesem Text, wieder einmal, aufgeschrieben habe. So lange das nicht ändert, wird es auch, tragischerweise, keinen Regimechange geben und das Regime der Statthalterschaft der Gelehrten darf sich darüber ins Fäustchen lachen.

Und ich darf mich weiterhin von diesen Herren beschimpfen, bedrohen und attackieren lassen. Weshalb ich auch weiterhin gedenke, Texte, wie diesen hier, zu verfassen.

*Vatanforoosh bedeutet auf Persisch «Landesveräter» und so nennen mich Iraner, weil ich als Georgierin nicht auf Georgiens Unabhängigkeit verzichten will, kein Farsi spreche, mich der persischen Kultur nicht zugehörig fühle und nicht bereit bin, für den Iran zu sterben. Den Iranern, die in mir deshalb eine Landesverräterin sehen, sei gesagt: «Dissent is the highest form of Patriotism» (dt. Dissens ist die höchste Form des Patriotismus.)

**Ich bin mütterlicherseits ukrainisch-jüdischer und georgisch-mingrelischer Abstammung.

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