Ein paar Gedanken zum Halle-Prozess

Geehrte LeserInnen!

Nun, da wir Juden Rosh HaShana, zu Deutsch «Das Haupt des Jahres», sprich das jüdische Neujahrsfest gefeiert haben, und somit auch Jom Kippur vor der Tür steht, möchte ich mich hier mit etwas befassen, dass die jüdische Gemeinschaft in der deutschsprachigen Welt im letzten Jahr beschäftigt hat. Nämlich mit dem Attentat von Halle an Jom Kippur und dem anschliessenden Prozess.

Zuallererst muss ich etwas Kontroverses loswerden. Nämlich, dass meiner Ansicht nach der Prozess von Halle etwas offenbart hat, dass ich in den letzten Jahren vermutet habe: Dass wir Juden von weiten Teilen der Mehrheitsgesellschaft immer noch, bestenfalls, als tolerierte Minderheit und nicht als Teil dieser Gesellschaft gesehen werden. Aber lassen Sie mich das ein bisschen elaborieren.

Zuerst, wie die jüdische Gemeinschaft in Halle, und auch anderswo, vor dem Prozess behandelt wurde. Nämlich, dass legitime Bedenken und Ängste bezüglich der Sicherheit von den verantwortlichen Behörden nicht ernst genommen wurden und die jüdische Gemeinschaft in Halle somit primär aus der eigenen Tasche für ihre Sicherheit aufkommen musste. Man behandelte Menschen mit legitimen Ängsten, Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, wie lästige Bittsteller und feilschte darum, wie auf einem Basar. Dies führte dazu, dass der Anschlag von Halle in dieser Form überhaupt erst möglich wurde. Denn nicht nur wurden die absolut legitimen Bedenken der jüdischen Gemeinschaft offensichtlich nicht ernst genommen, es wurde auch kein nachhaltiges Konzept erarbeitet, wie man solche Anschläge verhindert, oder was zu tun sei, wenn es doch zu solchen Anschlägen kommt. Die Realität ist in Europa nämlich Folgende: Synagogen und andere jüdische Einrichtungen wie Kindergärten und Schulen müssen mit Panzerglas und dergleichen geschützt werden, eben aufgrund von Antisemiten, die uns selbst an Jom Kippur meucheln wollen.

Wie verschiedene Medien berichtet haben, fuhr ein Streifenwagen vorbei, als der Attentäter Stephan Baillet schwer bewaffnet vor der Synagoge in Halle gestanden ist. Und was taten die Beamten im Streifenwagen? Die fuhren einfach weiter, weil sie dachten, dass dort ein Film gedreht würde. Somit konnte Stephan Baillet ungestört seinen Wahn in diese Tat umsetzen, und am Ende wurden zwei Menschen deshalb von ihm ermordet. Während seinem Prozess kamen noch einige weitere Unappetitlichkeiten zum Vorschein, nämlich, dass der Attentäter besser über jüdische Kultur und Feier- und Fasttage (Jom Kippur ist ein Fast- und kein Feiertag) bescheid wusste als die örtliche Polizei. Deshalb gab es nicht einmal an Jom Kippur Polizeischutz vor der Synagoge in Halle. Deshalb auch dauerte es nach dem Notruf aus der Synagoge eine ganze Weile, bis wieder Beamte vor der Synagoge eintrafen, und es ist nur der Tatsache geschuldet, dass die Ausrüstung des Attentäters wie die selbstgefertigten Schusswaffen und Sprengkörper, nicht richtig funktioniert haben und es nicht mehr Tote gab.

Und das ist meiner Meinung nach das wahre Problem! Nicht nur versuchen Antisemiten verschiedener Couleur, ihr Mütchen an uns Juden zu kühlen, weil sie uns für Covid-19, Zuwanderung, Feminismus und den kläglichen Zustand der islamischen Welt verantwortlich machen, die Mehrheitsgesellschaft bleibt auch untätig, legt die Hände in den Schoss und ignoriert den mörderischen Antisemitismus bis zum geht nicht mehr. Dies wird vom Prozess von Halle deutlich zu Tage gebracht. Wie ein Bekannter von mir berichtet hat, der bei diesem Prozess anwesend ist, wurden auch Videos des Attentats gezeigt, darunter die Aufnahmen der Überwachungskamera der Synagoge, die nichts für schwache Nerven sind und die keinen Zweifel daran lassen, dass Stephan Baillet der Attentäter ist.

Nun stellt sich nicht nur die Frage, wie seiner Familie, mit der er offensichtlich zusammengelebt hat, entgangen ist, wie und wozu er Waffen gebastelt und gehortet hat, sondern auch, warum die Polizei in Halle und Umgebung vor, während und nach dem Anschlag reagiert hat, wie sie eben reagiert hat. Man darf nicht vergessen, dass es Stephan Baillet fast gelungen ist, aus dem Untersuchungsgefängnis «Roter Ochse», das mitten in der Stadt Halle liegt, auszubrechen. Für gut 5 Minuten konnte sich der Attentäter frei innerhalb des Gefängnisses bewegen und nur die Tatsache, dass eine Türe verschlossen war, hinderte ihn an der weiteren Flucht. Deutsche Behörden haben offenbar sehr naive Vorstellungen von Attentätern und stellen sich diese wohl als missverstandene Eierdiebe vor. Anders ist diese fast schon kriminelle Nachlässigkeit angesichts von radikalisierten Gewalttätern für mich nicht zu erklären.

Aber auch mit dem Prozess endet die Causa Halle für uns Juden nicht. Denn wie ich oben schon erläutert habe, ist das Thema «Sicherheit» für uns Juden in Europa immer noch brandaktuell. Wie die «Jüdische Allgemeine» am 17.09.2020 berichtet hat, will die deutsche Bundesregierung jüdische Einrichtungen mit 22 Millionen Euro zusätzlich unterstützen. Dieses Geld ist für den Schutz jüdischer Einrichtungen geplant, und meiner Ansicht nach ist es eine Tragödie, dass dieses Geld überhaupt gebraucht wird, und dass, bis jüdische Einrichtungen in Deutschland, dieses Geld zugesprochen bekommen haben, Menschen ermordet werden mussten, bevor uns Juden geglaubt wurde, dass wir bedroht sind und wir nicht weiter von den verantwortlichen Behörden als paranoid abgestempelt werden. Was die Mehrheitsgesellschaft denkt, steht auf einem anderen Blatt und meist auch in den Kommentarspalten von verschiedenen Tageszeitungen, lesen auf eigene Gefahr. Und somit wird uns Juden auch im neuen Jahr Antisemitismus und die damit einhergehende Gefahr für unser Leibe und unsere Leben weiterhin beschäftigen.

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WER IST STEPHAN B., DER ATTENTÄTER VON HALLE/S.?

Der Gerichtsgutachter hält ihn offenbar für einen Menschen mit einer schweren autistischen Persönlichkeitsstörung.
Er selbst sieht sich dagegen als Vorkämpfer für die Sache der sog. „Weißen Rasse“ gegen den angeblichen „Grossen Bevölkerungsaustausch“ durch Muslime und Schwarze, der in seinen Augen von den „Juden“ bzw. einer „Zionistisch besetzten dt. Regierung“ in Deutschland gegen die autochthone Bevölkerung theoretisch und seit dem Jahre 2015 auch praktisch organisiert wird.
Manche sehen ihn auch einfach als „Muttersöhnchen“, als „Incel“, d.h. als jemanden, der in einer Art „Unfreiwilligem Zölibat“ lebt, oder als „Versager“, der im Grunde an sämtlichen Herausforderungen seines Lebens gescheitert ist und der nicht zuletzt aufgrund seiner am Ende gescheiterten Attentatspläne selbst in der eigenen Community nicht bzw. nicht mehr zum Vorbild für andere potenzielle Massenmörder taugt.
Als jemand, der seinen Auftritt vor Gericht seit Beginn des sog. „Halle-Prozesses“ am 21.07.2020 vor dem OLG Naumburg im Landgericht Magdeburg live mitverfolgt hat, ist mir v.a. folgendes aufgefallen:
Stephan B. genießt zunächst einmal die Bühne, die ihm als Attentäter vom 9. Oktober 2019 in Halle/S. im Zuge dieses Verfahrens zuteil wird.
Dies zeigt sich darin, dass er nahezu jede Gelegenheit nutzt, seine antisemitische und rassistische Ideologie, die sich v.a. gegen Juden und Muslime richtet, im Gerichtssaal zu verbreiten. In der ersten Sitzung des Verfahrens hätte ihm dies beinahe einen Ausschluss seitens der Vorsitzenden Richterin Ursula Mertens eingebracht, die ihm von Anfang an klarzumachen versuchte, dass sie antisemitische und rassistische Beleidigungen von Verfahrensbeteiligten keineswegs zu dulden gedenke.
Des weiteren hat der Angeklagte zumindest anfangs versucht, sozusagen auf Augenhöhe mit der Richterin und anderen Verfahrensbeteiligten zu kommunizieren, was er erst nach einer entsprechenden Zurechtweisung seitens der Vorsitzenden unterließ.
Dass Stephan B. ein „Muttersöhnchen“ ist, zeigt sich v.a. darin, dass er nahezu zeitlebens bei seiner Mutter in Benndorf (Sachsen-Anhalt) im Kinderzimmer gelebt hat.
Dabei finanzierte seine Mutter offenbar nicht nur seinen Lebensunterhalt nach zwei abgebrochenen Hochschulstudiengängen, sondern teilte, wie aus einem ausführlichen Brief hervorgeht, auch zumindest Teile seiner antisemitischen Auffassungen.
Nicht nur Stephan B. zeigte im bisherigen Verlauf des Gerichtsverfahrens wenig Reue, sondern seine Mutter verstieg sich in dem o.g. Abschiedsbrief, der mit drei durchkreuzten Davidsternen endete, zu der Ansicht, „die Juden“ hätten das Lebens ihres Sohnes sowie das ihrer gesamten Familie zerstört.
Ein weiterer Aspekt, der im bisherigen Verlauf des Verfahrens m.E. ein wenig zu kurz kam, ist die Existenz von Stephan B. als sog. „Incel“, d.h. als Mann, der in einer Art „unfreiwilliges Zölibat“ lebt.
Wenn man sich das Video des Attentäters von Halle/S. anschaut, fällt auf, mit welcher Kaltblütigkeit und Menschenverachtung dieser sein erstes Opfer, die mehr oder weniger zufällige Passantin Jana L. (40) vor dem Gelände der Synagoge in Halle/S. in der dortigen Humboldtstrasse 52 niederschiesst.
Ähnlich wie beim zweiten Mord an dem Malerlehrling Kevin S. im Döner-Imbiss in der nahegelegenen Ludwig-Wucherer-Straße, der ebenfalls in dem selbstgedrehten Tätervideo dokumentiert ist, kehrt Stephan B. ein zweites Mal zu seinem Opfer zurück, um es am Ende möglichst sicher zu töten.
Im Falle von Jana L. beschimpft er diese zusätzlich mehrfach als „Schwein“, was sich offenbar nicht nur auf die Tatsache bezieht, dass diese ihm bei seinem Angriff auf die Synagoge in die Quere gekommen ist, sondern offenbar auch als Ausdruck einer frauenverachtenden Haltung als „Incel“ interpretiert werden kann.
Diese These wird u.a. auch von dem früheren Bundespolizisten Nick Hein gestützt, der sich in einem „YouTube-Video“ mit den zahlreichen selbstgebauten Waffen des Halle-Attentäters beschäftigt, deren minderwertige Qualität thematisiert und sich ironisch und unter sexuellen Anspielungen über die „Ladehemmung“ dieses „ungebumsten Attentäters“ und seiner selbstgebauten Waffen auslässt.
Insgesamt drängt sich mir als Beobachter des Prozesses gegen Stephan B. das Bild eines Täters auf, der entgegen eines ursprünglich diagnostizierten überdurchschnittlichen IQs intellektuell eher unterdurchschnittlich begabt zu sein scheint.
Was er als Versatzstücke seiner die Tat rechtfertigen sollenden Ideologie beschreibt, wirkt i.w. angelesen und wenig reflektiert bzw. verarbeitet.
Seine nicht zuletzt aus seinem Chemiestudium stammenden Kenntnisse über den Bau von Waffen scheinen letzten Endes doch eher rudimentärer Art gewesen zu sein. Sonst hätten diese mit Sicherheit nicht dermaßen eklatant versagt.
So kann es nicht verwundern, wenn sich dieser „einsame Wolf“, denn als solchen muss man ihn, nach allem, was man weiß, bezeichnen, gegen Ende seines selbst gedrehten Tätervideos als „Versager“ auf ganzer Linie bezeichnet und sich bei seinen vermeintlichen Anhängern mehrfach dafür entschuldigt, nicht mehr seiner „Feinde“ ins Jenseits befördert zu haben.
Nicht, dass man mich missversteht:
Ich persönlich halte Stephan B. für einen ideologischen Überzeugungstäter und einen antisemitisch und rassistisch motivierten Schwerverbrecher, der nach meiner Ansicht eine lebenslange Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung redlich verdient hat.
Dennoch halte ich es für eine gewisse Ironie der Geschichte, dass einem solchen „Versager“ wie Stephan B., der seine monströse Tat zu Hause im Kinderzimmer bei Mutti und in der Werkstatt seines Vaters geplant hat, durch die Begleitumstände seines Prozesses – und hier meine ich v.a. die tagtägliche Rundumbetreuung durch zahlreiche Justizbedienstete mit Sturmhauben und Maschinenpistolen sowie den Transport von der JVA in Burg zum Landgericht in Magdeburg durch zwei Motorräder, sieben Polizeifahrzeuge und einen Helikopter – am Ende eine Aufmerksamkeit zuteil wird, die er von keinem Psychologen und keinem Sozialarbeiter der Welt je bekommen würde.