Putin, die STASI und der mündige Bürger

Kürzlich wurde bekannt, dass der STASI-Ausweis von keinem geringeren als Wladimir Wladimoriwitsch Putin, dem jetzigen russischen Präsidenten, in einem Dresdner Archiv gefunden wurde. Die Boulevard- und einige seriöse Medien haben sich auf diesen «Scoop» gestürzt und auch Teile der Bevölkerung in vielen zivilisierten Staaten waren schockiert. Mich hat dieser Fund des STASI-Ausweises von Putin weder überrascht noch schockiert, denn Putin war Leiter des FSB, der Nachfolgeorganisation des KGB, bevor er zum Präsidenten von Russland gewählt wurde. Ja, meine Damen und Herren, das russische Wahlvolk wählte vor bald zwanzig Jahren den Leiter der Nachfolgeorganisation des KGB zu seinem Präsidenten. Die Folgen dieser verhängnisvollen Wahl dürften jedem bekannt sein, der gelegentlich Medien konsumiert und nicht unter einem Stein in Usbekistan haust. Aber ich nenne trotzdem gerne ein paar Stichwörter: Chodorkowski, Okkupation der Zchinwali-Region und der Krim, «Pussy-Riot» etc. Dies alles wäre einigermassen und vorhersehbar und verhinderbar gewesen, wenn man so etwas wie bürgerliche Kultur in Russland hätte und mündige Bürger sich bewusst gemacht hätten, zu was es führen würde, wenn man einen Mann zum mächtigsten Politiker macht, von dem nur bekannt ist, das er in St.Petersburg geboren und aufgewachsen war und dann jahrelang, zuerst dem KGB und dann dem FSB gedient hatte, bis er schliesslich an der Spitze von eben diesem FSB stand.

Mir geht es nicht darum irgendwelche Verschwörungstheorien oder Hirngespinste breitzuschlagen und so zu tun, als ob Putin die russisch-sowjetisch Version von James Bond gewesen wäre. Bei seiner Statur und seinen lächerlichen Fremdsprachenkenntnissen würde ich eher vermuten, das er seine Zeit bei der STASI, beim KGB und dem FSB in einer ähnlich armseligen Position verbracht hat, wie der fiktive STASI-Agent im deutschen  Film «Das Leben der Anderen».  Trotzdem finde ich persönlich es nicht gut, dass ein öffentliches Amt, wie das des Präsidenten mit einem Mann besetzt ist, der vom Prinzip her ein Enigma ist, weil seine Akte immer noch als «streng vertraulich» unter Verschluss gehalten wird. Aber das sieht das russische Wahlvolk offenbar anders, denn die einzigen Proteste, die in den letzten Jahren von breiten Schichten in der russischen Bevölkerung begrüsst und getragen wurden, waren die Proteste gegen die Erhöhung des Rentenalters. Nicht der Augustkrieg gegen Georgien, nicht die Invasion und Okkupation der Ost-Ukraine und der Krim, sondern die Erhöhung des Rentenalters. Eine Tragödie. Fast scheint es, dass es den russischen Bürger nicht sonderlich kümmert, was sein Staat, seine Regierung macht, so lange sein Wodka auf dem Tisch steht und er zeitig, mit sechzig Jahren, in Rente gehen kann. Dies lässt auf einen absoluten Mangel von politischem Bewusstsein eines mündigen Bürgers schliessen.

Denn und da sind sich die Wähler und Anhänger von Putin und Erdogan ähnlich: Es war von Anfang klar, dass man keinen Wolf im Schlafspelz wählt, sondern den Wolf ohne jegliche Verkleidung und es war auch von Anfang klar wohin die Reise gehen würde. Aber das war der Anhängerschaft dieser beiden Autokraten egal, so lange andere Personengruppen als Sündenböcke und Fussabtreter hinhalten mussten. Und so ist es notwendig, dass man auch die Bürger von Staaten wie Russland und der Türkei in die Verantwortung nehmen muss, denn Demokratie bedeutet nicht nur am Wahltag ein Couvert in die Wahlurne werfen zu dürfen, sondern auch das Bekenntnis zu einem Rechtsstaat, zu Gewaltentrennung und zur Wahrung von Menschen- Bürger- und Minderheitenrechten. Mit einer solchen Regierung und einem solchen Wahlvolk wundert es mich nicht, wenn Staaten wie Russland und die Türkei noch für ein paar Jahre Schwellenländer bleiben werden. Denn ohne funktionierenden Rechtsstaat gibt es in den seltensten Fällen wirtschaftlichen Aufschwung, oder irgendeine, denkbare Form von Progress. Stattdessen bleibt man im besten Fall in einem Sumpf von Elend stecken, oder gibt sich gar völlig dem Regress hin, wie in den oben genannten Staaten zu beobachten ist. In Russland feiert der russisch-orthodoxe Chauvinismus Urstände unter einem Ex-KGB-Apparatschik und in der Türkei wird die laizistische Republik Atatürks von Erdogan, einem Anhänger des Neo-Osmanismus, der mit der Muslimbruderschaft verbandelt ist, zu Grabe getragen. All das getragen von einem, im besten Fall, passiven Wahlvolk. Kurzum: Nicht der in einem Dresdner Archiv gefundene STASI-Ausweis von Putin, oder das Gedicht von Ziya Gökalp, dass Erdogan vorgetragen hat, sind die Probleme. Nein, sowohl der Ausweis wie auch das Gedicht symbolisieren viel mehr einen Mangel an Bürgerbewusstsein in Russland und der Türkei. Dieser Mangel ermöglichte es Autokraten, wie Putin und Erdogan Macht zu erlangen.

Kleine Analyse der Präsidentschaftswahlen in Georgien

Das Wichtigste zuerst: Das, fast, undenkbare ist eingetreten und Salome Zurabischwili ist zur Präsidentin gewählt worden. Dies muss erstmal verdaut werden und mit diesem Beitrag versuche ich zu erklären, wie die Opposition es geschafft hat in den letzten beiden Wochen sich selber so zu sabotieren, dass eine Person wie Salome Zurabischwili zur Präsidentin gewählt werden konnte.

Zuerst einmal: Gegen Salome Zurabischwili, die frischgewählte, erste Präsidentin Georgiens, habe ich persönlich nichts, zumindest nichts das helfen könnte. Allerdings reagiere ich allergisch auf Monarchismus und es löst in mir eine tiefe Übelkeit aus, wenn jemand von «orthodoxer Bruderschaft» spricht. Ich persönlich bin bekennende Republikanerin und ziehe eine säkulare Verfassung vor. Des Weiteren finde ich und das ist auch meine persönliche Meinung, dass Salome Zurabischwili einen sehr starken französischen Akzent hat, wenn sie Georgisch spricht. Kritiker mögen entgegnen, dass dies egal sei, vor allem da mein Georgisch zum Beispiel auch nicht das Beste ist. Allerdings ist dadurch das Präsidentenamt in Georgien ein praktisch ein rein repräsentatives Amt ist, meiner Ansicht nach, wichtig das die Person, welche Georgien durch ihre Position repräsentiert ihrer Aufgabe auch wirklich gewachsen ist. Und da kommen mir bei Salome Zurabischwili starke Zweifel, gerade auch weil sie sich ganz offensichtlich seit ihrer Ankunft in Georgien im Jahr 2004 nicht darum bemüht hat ihr Georgisch zu verbessern. Für ihre Herkunft möchte ich Frau Präsidentin keine Vorwürfe machen, da sie ja ganz offensichtlich nichts dafür kann im Exil in Paris geboren worden zu sein. Allerdings macht mich ihr Akzent tatsächlich etwas wütend. Aber Frau Zurabischwili ist nun mal demokratisch legitimierte Präsidentin Georgiens, die erste Frau in dieser Position und damit finde ich mich erstmal ab. Zumal Frau Zurabischwilis erstes Interview für den russischen Dienst des BBC vielversprechend klingt.

Aber jetzt geht es erstmal um die Opposition, welche in den letzten Wochen und Tagen, im Endspurt vor der Stichwahl alles falsch gemacht hat, was man falsch machen konnte. Vor allem wenn man bedenkt, dass der in der ersten Runde unterlegene Oppositionskandidat, David Bakradze, seine Wähler gebeten hat, den anderen Oppositionspolitiker Grigol Vashadze zu unterstützen. Diese Unterstützung für Grigol Vashadze war umsonst, denn Vashadze lies kein Fettnäpfchen aus und wiederholte den Fehler, welcher 2004 selbst Michail Saakaschwili Unterstützer gekostet hat: Die Begnadigung einer kontroversen Persönlichkeit. Michail Saakaschwili begnadigte im Jahr 2004 den verurteilten Ex-Militär Vakhtang «Loti» Kobalia. Und nun wollte Grigol Vashadze Michail Saakaschwili höchstpersönlich begnadigen. Mich persönlich kümmert es nicht, dass sich Loti Kobalia als unschuldig sieht. Die Soldaten und der Journalist, wurden von Untergebenen Lotis erschossen. Es gilt, gerade auch im Militär und für Soldaten, die Befehlskette und das Ranghöhere, zum Teil, für die Taten ihrer Untergebenen haftbar gemacht werden können. Dies war in der Affäre um Loti Kobalia der Fall. Und die Begnadigung Kobalias führte zu Unmut innerhalb der Bevölkerung Georgiens und nicht nur bei David Bolkvadzes Familie, der Familie des obengenannten, ermordeten Journalisten. Nun wollte Grigol Vashadze Michail Saakaschwili begnadigen, welcher nun wahrlich kein Kriegsverbrecher ist, aber in seinem Exil in letzter Zeit immer manischer aufgetreten ist, man erinnere sich daran, wie er damit gedroht in Kiew von einem Gebäude zu springen und gerade erst kürzlich hat Saakaschwili, leider, einen PR-Agenten, welcher für Zurabischwili gearbeitet hat, als «dreckigen Juden» beschimpft. So viel Saakaschwili auch in seiner aktiven Zeit als Politiker in Georgien für Georgien getan hat, aber dieses Verhalten von Saakaschwili und seinem getreuen Vashadze wurde von der georgischen Wahlbevölkerung ganz offensichtlich nicht goutiert. Und so wanden sich immer mehr Georgier von Vashadze ab und die Wähler, welche eigentlich den säkularen David Bakradze im ersten Wahlgang unterstützt haben, wählten im zweiten Wahlgang die bekennende, christlich-orthodoxe Monarchistin Salome Zurabischwili. Meiner Ansicht nach eine absolute Tragödie, welche aber zu verhindern gewesen wäre, hätte die Opposition und damit primär der wichtigste Oppositionskandidat, Grigol Vashadze, nicht so kopflos agiert und aus den Fehlern, die selbst einem politischen Schwergewicht, wie Saakaschwili passiert sind, etwas gelernt. Jetzt gilt es, meiner bescheidenen Ansicht, erstmal die Kräfte für die kommenden Parlamentswahlen zu einen und sich darauf zu konzentrieren, dass «Georgian Dream» bei den Parlamentswahlen einen «georgischen Alptraum» erleiden muss.