Die Geister vergangener Imperien (Wie Imperialismus und Irredentismus im heutigen Iran Fortschritt verhindern)

Geehrte Leserinnen und Leser!

Es ist mal wieder an der Zeit, dass ich auf die Tasten haue und über das Land der Arier, den Iran, schreibe. Es geht natürlich darum, wie im Hier und Heute die Verherrlichung vergangener Imperien und der Wunsch die Territorien, die von diesen Imperien beherrscht wurden, wieder zu erobern, echten Fortschritt, besonders einen Regimechange, verhindern.

Natürlich denken viele Menschen, besonders Iranerinnen und Iraner selber, dass dies nur am Islam liege und dieses Regime nichts, aber auch rein gar nichts mit den vergangenen, gescheiterten Persischen Imperien zu tun habe. Dem ist nicht so. Zum einen bedient sich das Regime der Taktiken der Sassaniden und Safawiden in Bezug auf seine irredentistische Aussenpolitik, d. h. eine Herrschaft durch iranische Proxies, denn das, was die Sassaniden und Safawiden im Kaukasus getan haben, wird heute vom Mullahregime in Syrien und im Irak praktiziert. Zum anderen ist es so, dass, wenn es nur der politische Islam wäre, der schuld am Verfall Irans wäre, der Iran heute aussehen würde, wie Afghanistan, Somalia und der Jemen. Es sind die Faktoren des Imperialismus und Irredentismus, die vom Willen zur Auferstehung der Glorie vergangener Tage, angetrieben werden und die immer noch unterschätzt und ignoriert werden.

Dieser Irredentismus und Imperialismus sind allerdings nicht nur bei Regime-Anhängern, die gerne das persische Reich unter dem Banner der Islamischen Republik wiederherstellen wollen, verbreitet, sondern auch bei der antiklerikalen Opposition. Was meiner Ansicht nach, eines der Hauptprobleme ist, das einen Regimechange verhindert. Eines der anderen Hauptprobleme ist der Mangel an Führungspersönlichkeiten für die Zeit nach dem Regimechange, der heute schon sichtbar ist: Kaum eine Iranerin oder ein Iraner kann mir jemanden nennen, den man gerne als Präsident, Premier- oder Aussenminister hätte, und der nicht der ehemalige Shah ist oder schon seit Jahrhunderten tot. Und ich verwende hier bewusst die männliche Form, denn nach Ansicht eines guten Freundes, der selber Bahai ist und deshalb mit seiner Familie aus dem Iran fliehen musste, wird es noch Generationen dauern, bis eine Frau oder jemand aus einer ethnischen oder religiösen Minderheit im Iran das Sagen haben wird. Seiner Ansicht nach wird Iran nach dem Regimechange eher einer Türkei unter Erdogan gleichen, mit einer säkularen Staatbevölkerungen und einer Landbevölkerung, die seit eh und je ungebildet und extrem chauvinistisch gegenüber Minderheiten ist, als einem Staat wie die Niederlande. Seine These wird durch die Tatsache untermauert, dass 29 Millionen Iraner, mehrheitlich junge, ungebildete Männer, sprich 40% der Gesamtbevölkerung, in den kommenden Wahlen den gestörten Holocaust-Leugner Mahmud Achmadinejad unterstützen wollten.

Mein Freund muss es wissen, denn seiner Familie wurde Land weggenommen, nicht von den Ayatollahs selber, sondern von den verehrten Nachbarinnen und Nachbarn, die sich nur nach einer Möglichkeit gesehnt haben, der verhassten Minderheit eins auszuwischen. Das türkische Szenario ist, meiner Ansicht nach, aber nicht nachhaltig für den Iran und zwar weil in der Türkei bis vor kurzem, das Militär als Garant für die säkulare Verfassung stand. Dies ist im Iran nicht möglich, aufgrund des Fakts, dass Khomeini praktisch sofort nach der Islamischen Revolution mit den Pasdaran, den Revolutionsgarden, eine ideologisch gefestigte Miliz aufgebaut hat, die heute besser ausgerüstet ist, als die eigentlichen Streitkräfte des Iran, Artesh. Ausserdem sind ist Artesh heute auch nicht mehr das, was sie unter dem Shah gewesen sind: Ein General der regulären Streitkräfte hat vor kurzem in den iranischen Medien darüber geprahlt, dass die reguläre Armee bei der Niederschlagung der Proteste im November 2019 beteiligt gewesen sei. Sprich von der regulären Armee können die Bürgerinnen und Bürger nunmehr keinerlei Unterstützung erwarten.

Und da wir gerade vom Shah, sprich nun seinem Sohn, dem Kronprinzen Reza Pahlavi gesprochen haben: Seine Hoheit wünscht seit dem März ganz offen, nicht Shah werden zu wollen. Stattdessen will auch er eine Republik und nicht die Wiederherstellung der Monarchie mit ihm an der Spitze.

Die Frage lautet: Wie und mit wem kann ein Regimechange gelingen? Mir scheint, dass viele Iraner, auch jene, die der antiklerikalen Opposition zugehörig sind, gerne bei Problemen im Hier und Heute Ideen und Strategien vergangener Tage und gescheiterter persischer Reiche zu recyclen versuchen. Darunter natürlich auch die Idee eines gross-persischen, gross-iranischen Reiches, als ob der Iran in seiner heutigen Grösse nicht genug Probleme hätte. Und was die Probleme angeht, scheuen sich jene, die sich nach einem gross-persischen Imperium sehnen, schon heute nicht, allen möglichen und unmöglichen Akteuren die Schuld an den zahlreichen Problemen des Iran zu geben, darunter sind natürlich, Israel, die christlichen Staaten im Südkaukasus, die Engländer, die Araber und die Türken, aber auch Minderheiten innerhalb des Iran wie zum Beispiel Bahai. Gleichzeitig will man selber für nichts, aber auch rein gar nichts die Verantwortung übernehmen, stattdessen gibt man anderen, einem anonymen Kollektiv die Schuld an der Misere für die eigene Unzulänglichkeit und das eigene Versagen, mit den Mullahs fertig zu werden und den historischen Leichen im Keller endlich ins Gesicht zu schauen.

So ist natürlich keinerlei Fortschritt möglich und auch ein Regimechange rückt in weite Ferne. Es ist ein Teufelskreis und es ist eine einzigartige Groteske der iranischen Tragödie, dass sie andere Staaten in das Elend hereinzieht, so den Jemen, Syrien, Israel und neuerdings den Süd-Kaukasus, dem während des Höhepunkts des letzten Konflikts in Nagorno-Karabagh, der stellvertretende Aussenminister der Islamischen Republik Iran, Abbas Araghchi, damit drohte, dass der Iran in den Kaukasus einmarschieren werde, wie es einst Agha Mohammad Khan getan hatte.

Dies wird auch in Zukunft so weitergehen, bis die Bürgerinnen und Bürger des Iran sich kritisch mit ihrer eigenen Geschichte auseinandersetzen werden, anstatt gescheiterte Imperien zu verherrlichen und aufhören, allen möglichen und unmöglichen Menschen die Schuld am eigenen Elend zu geben. Daran können leider keine Sanktionen etwas ändern. Andernfalls hätte es in den vier Jahren von Donald Trumps Zeit als Präsident einen Umsturz gegeben, der das Regime auf den Müllhaufen der Geschichte befördert hätte. Dies gab es nicht, stattdessen gab sich ein grosser Teil der exil-iranischen, anti-klerikalen Opposition dem irren Gedanken hin, dass nun das Perserreich wiederauferstehen werde und der Iran dadurch Kontrolle über die Krim-Halbinsel, Georgien, Armenien, Aserbaidschan und selbst Teile Russlands erhält.

Heute folgt das böse Erwachen, dass Präsidentschaftswahlen in der Islamischen Republik Iran anstehen, bei denen sich das Regime kaum mehr bemüht die Scharade von politischer Legitimität aufrechtzuerhalten. Stattdessen ist mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der neue Präsident der Islamischen Republik Ebrahim Raisi heissen wird. Raisi ist Khameinis Nachfolger, den die alte Schlange Khameini in einer Machtposition installieren will, damit er nach Khameinis Tod bestätigt und ohne Umstände zum neuesten obersten «Religionsführer» ernannt werden kann. Dabei helfen die Geister vergangener Imperien, die den Iran und die exil-iranische Gemeinschaft noch heute heimsuchen.

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Mein Senf zur Farce der Präsidentschaftswahlen im Iran!

Geehrte Leserinnen und Leser!

Eines vorneweg: Der Sieger der Präsidentschaftswahlen vom 18.Juni 2021 steht schon heute fest, denn es handelt sich dabei um den «Blutrichter» Ebrahim Raisi. Ebrahim Raisi hat diesen interessanten Beinamen erhalten aufgrund seiner Mitwirkung an den Massenmorden an linken Aktivisten im Jahr 1988. Er hat also damals schon gezeigt, dass er für das Regime der Islamischen Republik bereit ist, alle Skrupel über Bord zu werfen und wortwörtlich über Leichen zu gehen. Dies macht Ebrahim Raisi geradezu zu einem perfekten Nachfolger von Ali Khameini, und nur darum geht es:

Ali Khameini selber ist nunmehr über 80 Jahre alt und will seine Nachfolge und das Weiterbestehen des Regimes sicherstellen, darum will er seinen Nachfolger, eben Raisi, in einer Machtposition wissen, damit dieser schnell, nach Khameinis Ableben, bestätigt und zum neuesten obersten «Religionsführer» ernannt werden kann. Diese ganze Farce um Kandidaten wie den vermeintlichen «Reformisten» Tajzadeh, dessen Frau angeblich freiwillig Kopftuch trägt, von der es aber keine Bilder gibt, oder den gestörten Holocaustleugner Mahmud Achmadinejad, der als neuer Hoffnungsträger des Proletariats gefeiert wird, ist nichts anderes als eine bizarre und zugleich tragische Groteske, die ihresgleichen sucht.

Übrigens: Die Tatsache, dass ein gestörter Holocaustleugner wie Achmadinejad, immer noch solch eine grosse Anhängerschaft im Iran selber hat, oppositionelle Medien wie «Iran International» in London gehen von 29 Millionen aus, sprich gut 40% der iranischen Bevölkerung, primär männlichen Anhängern aus der Unterschicht, ist meiner Ansicht nach, als Jüdin, besorgniserregend. Achmadinejad, dem sogar ehemalige Weggefährten attestieren, geisteskrank zu sein, unter anderem behauptet er, in Kontakt mit dem «verborgenen Imam» zu sein, einer Messias-Figur im schiitischen Islam, ist kein Populist. Er ist ein brandgefährlicher Mörder, der 2009 die Proteste, die sich gegen seine zweite Amtszeit richteten, mit eiserner Faust und der Hilfe der Basiji und Pasdaran/Revolutionsgarden blutig niederschlagen liess. Heute kritisiert er die Pasdaran/Revolutionsgarden und den obersten Religionsführer Ali Khameini nicht wegen ihrer Brutalität, sondern weil ihm von diesen Macht verwehrt wird. Macht, die, denkt der gestörte Mahmud, ihm quasi per Bestimmung zusteht. Und, ich sage es nochmal, in aller Deutlichkeit und als Jüdin, man leugnet nicht den Holocaust, um Aufmerksamkeit zu erregen. Das alles hat aber Achmadinejad getan. Heute stilisiert er sich zum Sprachrohr der Elenden und Entrechteten, um eben die traditionelle und ungebildete schiitische Bevölkerung für sich zu mobilisieren.

Aber all das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass, sofern es keinen Regimechange gibt, der nächste Präsident der Islamischen Republik Ebrahim Raisi heissen wird. Das hat nichts mit irgendwelchen Sanktionen zu tun, sondern mit der Tatsache, dass die sogenannte «Reformbewegung» sich über Jahre selber sabotiert hat und es nicht geschafft hat, echte Reformen im Iran voranzutreiben. Hinzu kommt, dass Khameini seine Nachfolger für die Zeit nach seinem Ableben positioniert. Alles andere ist nur die übliche Propaganda des Regimes, um vom eigenen Versagen abzulenken.

Denn obwohl das Regime, zumindest bei diesen Wahlen, auf die übliche Scharade aus «Guter Bulle»(Reformisten)/«Böser Bulle»(Hardliner) verzichten, bedeutet das nicht, dass die übrige Propaganda zurückgefahren wird. Ganz im Gegenteil: Die Anschuldigungen, dass Sanktionen gegenüber dem Regime oder das Misstrauen westlich-gesinnter Staaten gegenüber der Islamischen Republik und deren imperialistischer Aussenpolitik, schuld daran seien, dass das Regime nun auf Hardliner setzt, primär Revolutionsgardisten, ist genau solche Propaganda.

Aber auch diese Propaganda kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass seit Ende letzten, Anfang dieses Jahres klar war, dass sich der altersschwache und zugleich bösartige Ali Khameini um seine Nachfolge sorgt und genau deshalb einen regimetreuen Nachfolger will. Und bei diesem Nachfolger handelt es um keinen geringeren als den «Blutrichter» Ebrahim Raisi. Währenddessen verschlingt die Islamische Revolution, Saturn gleich, ihre eigenen «Enkelkinder», denn nun versucht sogar Hassan Khomeini, der Enkel von Ruhollah Khomeini, das Regime zu kritisieren. Zu spät, meiner Meinung nach, denn das System der Islamischen Republik kann nicht reformiert werden. Das Einzige, das noch helfen kann, ist ein Regimechange, und der kommt erst, wenn die antiklerikale Opposition sich ihren Problemen stellt. Das aber ist ein anderes Thema für einen anderen Blog-Beitrag.

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