Warum man aufhören soll den Hijab mit Kippot und Kruzifixen zu vergleichen/ Eine Polemik

Liebe Ladies und Fellas

Immer wieder fallen mir wohlmeinende «nützliche Idioten» auf, welche in ihrer Toleranz, die für mich eher Indifferenz ist, mit der dazugehörigen Ignoranz hausieren gehen und den Hijab mit Kippot und/ oder Kruzifixen vergleichen, oder gar die Tatsache, dass man neuerdings immer mehr kopftuchtragende Kindergärtnerinnen sieht, mit dem Fakt relativieren, dass erwachsene, orthodoxe Jüdinnen, die verheiratet sind, auch ihre Haare bedecken. Als jüdische Frau, die sich für Gleichberechtigung einsetzt, sind solche, von Ignoranz und Indifferenz getragenen Relativierungen sehr bitter für mich, deshalb möchte ich, auf diesen Unsinn die folgenden Zeilen erwidern:

Ein Hijab erniedrigt gleich dreifach und das auch noch öffentlich:

  1. Er erniedrigt die Frauen, die ihn tragen, denn nur so sind sie keusch und somit ehrenhaft.
  2. Er erniedrigt Frauen, die ihn nicht tragen, als Schlampen und Freiwild.
  3. Er erniedrigt Männer, als wollüstige Bestien, welche sich angeblich deshalb nicht beherrschen können, weil sie die Knöchel oder das Haar von Frauen sehen.

Dies alles ist bei Kippot- und Kruzifix-Trägern nicht der Fall. Ein Mann, welcher eine Kippa trägt, symbolisiert damit nur, dass er an einen allmächtigen Gott glaubt, welcher über dem Menschen steht. Mehr nicht. Ein Mensch, welcher ein Kruzifix trägt, symbolisiert damit sein Bekenntnis oder eine sonstige Verbindung zum Katholizismus oder zum orthodoxen Christentum. Es gibt auch keine staatlichen Gesetze, in irgendeinem Land der Welt, welche die Einwohner oder Besucher eines Landes zwingen, die Kippa oder ein Kruzifix in der Öffentlichkeit zu tragen. Wie oben schon erwähnt, erniedrigt der Hijab die Trägerin von Besagtem, aber auch Frauen, welche sich nicht entscheiden einen Hijab zu tragen, wie man es dreht und wendet, durch den Hijab werden Frauen zu Sexualobjekten degradiert und somit hat der Hijab für mich mehr mit einem Keuschheitsgürtel gemein, als mit Kippot, Kruzifixen und dergleichen. Auch gibt es weltweit Staaten, in denen Frauen, ob Muslima oder nicht, zum tragen des Hijab in der Öffentlichkeit gezwungen werden, die Islamische Republik Iran, ist zum Beispiel so ein Land, welches allen Frauen dort den Hijab, mit Gewalt, aufzwingt. Wie Sie deshalb sehen können, hinken die Vergleich des Hijab mit Kippot und Kruzifixen nicht nur, sie brauchen gar einen Rollstuhl…

Kommen wir jetzt zum Vergleich von orthodoxen, verheirateten Jüdinnen, welche NACH der Hochzeit ihre Haare bedecken, mit dem Vergleich von Mädchen, welche schon im Kindergartenalter den Hijab tragen MÜSSEN:

Wie oben schon erwähnt, tragen nur verheiratete, orthodoxe Frauen eine Kopfbedeckung, welche ihre Haare bedeckt. Ich bin kein Fan dieser Praxis, gehe nicht in orthodoxe Synagogen etc. ABER: Im Gegensatz zum neunjährigen Mädchen, welches einen Hijab trägt, weil dies von ihren Eltern verlangt wird, hat eine erwachsene Frau, in meinen Augen die notwendige Reife, um ihre Entscheidung zu reflektieren, im Ernstfall die Hochzeit abzusagen und keine Kopfbedeckung zu tragen. Dies ist, bei einem kleinen Mädchen ganz offensichtlich nicht der Fall. Diese Mädchen wachsen im Glauben auf, dass ihr Körper, von klein auf die Quelle aller Sünde sei und nie echte Entscheidungsfreiheit haben, ob der Hijab getragen wird. Dies ist in meinen Augen unverzeihlich. Diese Scheinheiligkeit von indifferenten »nützlichen Idioten», welche mit ihrer Ignoranz und ihren unreflektierten, antisemitischen Ressentiments hausieren gehen und dabei uns Juden im Allgemeinen und orthodoxe Frauen im Besonderen, in die Hijab-Debatte reinziehen, ist, meiner Ansicht nach, auch ziemlich widerlich. Besonders wenn man bedenkt, dass die Mehrheit der jüdischen Frauen, auch nach der Hochzeit ihre Haare nicht bedeckt und es, im Gegensatz zu Menschen aus dem islamischen Kulturkreis, bei uns Juden nicht zu grösseren Integrationsschwierigkeiten kommt.

Putin ist nicht das Problem

Liebe Ladies und Fellas

Sollten Sie diese Zeilen lesen und schockiert sein, kann ich sie jetzt beruhigen: Ich bin weder pro-Putin noch finde ich den national-orthodoxen Chauvinismus in Russland gut. Aber ich sehe in Putin nicht das Hauptproblem Russlands, sondern nur ein Symptom dessen was in Russland schiefläuft. Putin könnte Morgen vom Blitz getroffen werden und anstelle von ihm könnten entweder Lawrow oder Prichodko Präsident werden und nichts würde sich ändern. Denn das eigentliche Problem ist die Ideologie des national-orthodoxen Chauvinismus, welcher die Zeit überdauert hat und nach dieser Ideologie ist jeder Bürger Russlands und der umliegenden Staaten, welcher nicht slawisch und christlich-orthodox ist, bestenfalls ein Bürger zweiter Klasse. Dabei wäre Russland eigentlich ein Vielvölkerstaat seit Ivan der Schreckliche beschlossen hatte das tatarische Khanate von Kazan zu erobern.

Dieser Chauvinismus manifestierte sich zum Beispiel als Putin letzte Woche ethnischen Minderheiten, wie Juden, Tataren und Ukrainern die Schuld an den Einmischungen in den Wahlen in den USA gab. Aber vom Geist dieses Chauvinismus ist nicht nur Putin besessen, sondern jeder, der ihn gewählt und verteidigt hat. Man muss bedenken, dass es dem Wahlvolk vor achtzehn Jahr klar war, wer hier zur Wahl steht, nämlich ein Mann mit mehr als obskurer Vergangenheit beim KGB und FSB. Putin wurde trotzdem Präsident und nach allem, was wir bis heute wissen, waren die Wahlen damals, im Grossen und Ganzen, frei und fair. Nein, ich bin auch nicht der Ansicht, dass der Russe an sich nicht zu Demokratie fähig ist, aus welchen Gründen auch immer, sondern ich bin der festen Ansicht das sich viele Russen, leider, in diesem Chauvinisten-Eckchen bequem eingerichtet haben und nun, von dort aus, jeder nur vorstellbaren Minderheit, die Schuld an ihrer Lage geben. Egal was diese Minderheiten bisher für das Land getan haben, egal wie gut ihr Russisch ist und egal wie viele Familienangehörige von dir für und wegen Russland sterben mussten, so bald du einen Namen wie Iosseliani, Mikoyan, Nemtsov, Mammatov oder Jamiliev trägst, bist du ein Bürger, ein Mensch zweiter Klasse, in den Augen von zu vielen Russen. Das ist das eigentliche Problem und nicht Putin.

Aber natürlich ist Russland nicht das einzige Land, mit einem Chauvinismusproblem. Sondern es gibt noch andere gescheiterte Imperien, welche für ihren Untergang und ihre Probleme jede erdenkliche Minderheit verantwortlich machen. Als Beispiel kommt mir gerade die Türkei in den Sinn. So lange diese Denke aber Urstände feiert ist Progress nicht möglich, sondern es droht Stagnation oder gar Regress.