Geehrte Leserinnen und Leser!
Immer mal wieder, wenn ich nicht von Iranern beschimpft und bedroht werde, fragen mich vernünftige Iranerinnen und Iraner, warum ich denke, dass das Regime der Statthalterschaft der Gelehrten immer noch an der Macht ist, und wie man besagtes Regime auf den Müllhaufen der Geschichte befördern könnte.
Deshalb schreibe ich hier, was die iranische, antiklerikale Opposition von Aktivisten aus einem Land, das bis vor kurzem, leider, als Vorgarten Russlands wahrgenommen wurde, anstatt als Nation von Marc Chagall, Janka Kupala und Jakub Kolas. Ich rede hier natürlich von Belarus und den Aktivistinnen und Aktivisten dort, die seit den gefälschten Wahlen im August mutig dem Kolchose-Diktator, der als Statthalter des Kremls gilt, trotzen.
Unter diesen Aktivisten sind auch, logischerweise, zahlreiche Frauen wie Maria Kalesnikova, und die legitime Präsidentin von Belarus, Svitlana Tikhanovskaya, der «Hausfrau, die zufällig gewählt wurde». Um letztgenannte, um «unsere Sveta», wie viele Bürgerinnen und Bürger, diese Frau nennen, geht es mir im Besonderen.
Denn Svitlana Tikhanovskaya ist nicht nur Hausfrau, Mutter und Gattin eines Oppositionellen, der in einem KGB-Gefängnis sitzt. Was das KGB-Gefängnis angeht, so darf ich wieder daran erinnern, dass Belarus das letzte Land Europas ist, indem noch die Todesstrafe vollstreckt wird, und in dem es einen KGB gibt. Aber zurück zu Frau Tikhanovskaya, die eben nicht nur eine Hausfrau und Mutter, sondern auch eine studierte Fremdsprachenlehrerin (Deutsch und Englisch) und eine Übersetzerin ist, und deshalb zur Wahl angetreten ist, weil Lukaschenko ihren Mann verhaften liess.
Frau Tikhanovskaya nutze die schamlose Misogynie des Kolchose-Diktators Lukaschenko, der sie nicht ernst nahm, und Debatten mit ihr ausschlug mit der Begründung, dass sie Hausfrau und Mutter sei, und ihren Kindern und ihrem Ehemann doch besser Kotelett kochen sollte, anstatt sich mit Politik rumzuschlagen. Darauf entgegnete Svitlana Tikhanovskaya dem Kolchose-Diktator sinngemäss, dass sie das gerne tun würde, nur habe er ihren Ehemann verhaftet, und deshalb müsse sie zuerst ihren Ehemann und die anderen politischen Gefangenen rausbekommen, um das tun zu können.
Der alte Lukaschenko nahm Frau Tikhanovskaya auch da noch nicht ernst, und dann kam der 8. August, und der Rest ist Geschichte. Heute hat Belarus de facto eine funktionierende Regierung im Exil und Aktivisten in Belarus selber, die die Proteste gegen den Kolchose-Diktator am Laufen halten.
D.h. hat das, was die iranische, antiklerikale Opposition seit einundvierzig Jahren nicht schafft: Eine geeinte Front, um die Diktatur zu stürzen.
Wie man das im Iran erreichen könnte, dazu habe ich hier ein Beispiel: Im Iran könnte Reza Khandan, der Ehemann der zu Unrecht gefangen gehaltenen Sacharow-Preisträgerin und Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh, versuchen, als Präsidentschaftskandidat bei den Wahlen im nächsten Jahr anzutreten. Er hat alles, was man braucht, um in der Islamischen Republik Iran als Präsidentschaftskandidat antreten zu dürfen: Er ist ein Mann und schiitischer Muslim. Natürlich bin ich mir vollkommen im Klaren, dass ein Reza Khandan in der Islamischen Republik Iran nicht die geringste Chance hat, offiziell zu gewinnen, aber seine Kandidatur wäre ein gutes Zeichen und würde eventuell die Opposition im Iran und im Exil auf einen Kandidaten einen.
Denn eine der Schwächen der anti-klerikalen, iranischen Opposition ist nunmal der Mangel an passablen Kandidatinnen und Kandidaten für einen demokratischen Iran nach dem Regime-Change. Wenn man von seiner Hoheit Kronprinz Reza Pahlavi und Maryam Rajavi, die nicht wirklich säkular ist, absieht. Nur, diese Charaktere sind nunmehr seit mehr als vierzig Jahren dabei und haben es bis dato nicht geschafft, die Opposition hinter sich zu einen und das Regime zu stürzen.
Darum denke ich, dass es nun für die antiklerikale Opposition des Iran eminent wichtig wäre, die eingetretenen Pfade zu verlassen und nach neuen Taktiken und Kandidaten zu suchen, um das Regime der Statthalterschaft der Gelehrten auf den Müllhaufen der Geschichte zu befördern. Dafür sollten besagte Oppositionelle auch einen Blick nach Belarus werfen.
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