Bekenntnisse eines Vatanforoosh: Die Luft zum Atmen lassen

Geehrte Leserinnen und Leser!

Der Fall von Samira Zargari hat mich dazu inspiriert, mal wieder etwas für meine allseits beliebte Serie «Bekenntnisse eines Vatanforoosh» zu schreiben.

Samira Zargari ist die Trainerin des iranischen Frauen Ski-Nationalteams und ihr Mann hat ihr ohne Begründung verboten, mit ihrem Team nach Italien zu reisen. Dies ist aufgrund der misogynen Gesetze im Iran ohne Probleme gestattet. Das Problem meiner Meinung nach ist ein anderes.

Wie verschiedene Medien berichtet haben, ist es nicht das erste Mal, dass einer iranischen, prominenten Frau von ihrem Mann verboten wurde auszureisen. Bekannte Beispiele sind Niloufar Ardalan, die von ihrem Mann, der selber als Sportjournalist tätig ist, verboten wurde, 2015 an der Asienmeisterschaft im Frauenfussball in Malaysia teilzunehmen. 2017 hat der Ehemann der ersten iranischen Paralympics-Siegerin, Zahra Nemati, ihr verboten aus dem Iran auszureisen, weil Zahra Nemati sich von ihm scheiden lassen wollte.

Natürlich helfen die frauenfeindlichen und damit menschenverachtenden Gesetze des Regimes der Islamischen Republik den Herren der Schöpfung dabei, den Chauvinisten raushängen zu lassen. Aber hier ist noch etwas anderes im Spiel: Nämlich die Tatsache, dass erwachsene, gebildete Männer sich wie Paschas im vorletzten Jahrhundert benehmen oder wie Hinterwäldler aus dem letzten Kaff gebärden, und das auf dem Rücken von Frauen und von allerhand Minderheiten.

Ja, es ist mir bewusst, dass dieses Verhalten durch die Tyrannei des Regimes der Statthalterschaft der Gelehrten erst möglich gemacht wird, aber es ist eine Schande für den Iran, dass iranische, persische Männer sich dieser Barbarei hingeben. Es sind eben nicht nur Revolutionsgardisten/Pasdaran, Basiji-Milzen, Araber und Türken, die iranisch-persische Frauen ermorden, belästigen und erniedrigen, es sind die iranisch-persischen Männer selber, die dafür sorgen, dass 67% der Frauen im Iran von häuslicher Gewalt berichten. Es sind die iranisch-persischen Männer selber, die dafür sorgen, dass gut 20%, sprich ein Fünftel aller Morde sogenannte «Ehrenmorde» sind.

Viele Iranerinnen und Iraner wünschen sich, das Regime der Statthalterschaft der Gelehrten auf den Müllhaufen der Geschichte, und das verstehe ich nur zu gut, allerdings gibt es da ein grosses Hindernis, dass das verhindert, der sogenannte Elefant im Raum, nämlich die Tatsache, dass sich viele iranische Männer ganz bequem auf der Spitze der Nahrungskette eingerichtet haben, und nur den Ayatollahs und Revolutionsgarden ihren Platz an der Sonne neiden, aber ums Verrecken nicht ihre Macht mit Frauen und verschiedenen Minderheiten teilen würden.

Das wiederum führt dazu, dass anstatt, das Regime gestürzt wird, die iranisch-persischen Männer auf Frauen und verschiedenen Minderheiten rumtrampeln, und dies tun sie, meiner Meinung nach, aus zwei verschiedenen Gründen: Zum einen, weil sie es einfach können, und zum anderen, um sich schlicht und ergreifend abzureagieren und ihren Frust, über die ganze Situation an jemandem rauszulassen.

Es ist, leider, ein elender Teufelskreis, der Frauen und Minderheiten die Luft zum Atmen raubt und am Ende nur dem Regime nützt.

Dies wiederum zeigt sich darin, dass das Regime nun bald seit mehr als zweiundvierzig Jahren mit eiserner Hand über den Iran herrscht und man nun darüber debattiert, welcher Regime-Zweig das Duo Khameini-Rohani beerben wird: Entweder der «Blutrichter» Ebrahim Raissi, der in den Achtzigern dafür berühmt-berüchtigt wurde, linke Aktivisten in Schauprozessen zum Tode zu verurteilen, und der Revolutionsgardist Mohammad Bagher-Ghalibaf, oder es ist sogar möglich, dass Khameini Junior, der jüngere Sohn von Khameini Senior, Mojtaba und Mahmud Ahmadinedschad, der verrückte Holocaust-Leugner, gemeinsam versuchen werden, die Macht an sich zu reissen. Keiner der oben genannten Herren ist auch nur im Geringsten den «Moderaten» oder sogenannten «Reformisten» zuzuordnen. All diese Männer sind Hardliner, schamlose Mörder mit dem Blut Unschuldiger an ihren Händen. Aber all diese Männer werden durch die Unfähigkeit und den Unwillen vieler iranischer Männer, ihre Mitmenschen mit Respekt zu behandeln, an der Macht gehalten. Das wiederum raubt iranischen Frauen und Minderheiten mehr die Luft als die Masut-getränkte Luft in den iranischen Städten dieser Tage.

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Was die iranische Opposition von den Aktivisten in Belarus lernen könnte

Geehrte Leserinnen und Leser!

Immer mal wieder, wenn ich nicht von Iranern beschimpft und bedroht werde, fragen mich vernünftige Iranerinnen und Iraner, warum ich denke, dass das Regime der Statthalterschaft der Gelehrten immer noch an der Macht ist, und wie man besagtes Regime auf den Müllhaufen der Geschichte befördern könnte.

Deshalb schreibe ich hier, was die iranische, antiklerikale Opposition von Aktivisten aus einem Land, das bis vor kurzem, leider, als Vorgarten Russlands wahrgenommen wurde, anstatt als Nation von Marc Chagall, Janka Kupala und Jakub Kolas. Ich rede hier natürlich von Belarus und den Aktivistinnen und Aktivisten dort, die seit den gefälschten Wahlen im August mutig dem Kolchose-Diktator, der als Statthalter des Kremls gilt, trotzen.

Unter diesen Aktivisten sind auch, logischerweise, zahlreiche Frauen wie Maria Kalesnikova, und die legitime Präsidentin von Belarus, Svitlana Tikhanovskaya, der «Hausfrau, die zufällig gewählt wurde». Um letztgenannte, um «unsere Sveta», wie viele Bürgerinnen und Bürger, diese Frau nennen, geht es mir im Besonderen.

Denn Svitlana Tikhanovskaya ist nicht nur Hausfrau, Mutter und Gattin eines Oppositionellen, der in einem KGB-Gefängnis sitzt. Was das KGB-Gefängnis angeht, so darf ich wieder daran erinnern, dass Belarus das letzte Land Europas ist, indem noch die Todesstrafe vollstreckt wird, und in dem es einen KGB gibt. Aber zurück zu Frau Tikhanovskaya, die eben nicht nur eine Hausfrau und Mutter, sondern auch eine studierte Fremdsprachenlehrerin (Deutsch und Englisch) und eine Übersetzerin ist, und deshalb zur Wahl angetreten ist, weil Lukaschenko ihren Mann verhaften liess.

Frau Tikhanovskaya nutze die schamlose Misogynie des Kolchose-Diktators Lukaschenko, der sie nicht ernst nahm, und Debatten mit ihr ausschlug mit der Begründung, dass sie Hausfrau und Mutter sei, und ihren Kindern und ihrem Ehemann doch besser Kotelett kochen sollte, anstatt sich mit Politik rumzuschlagen. Darauf entgegnete Svitlana Tikhanovskaya dem Kolchose-Diktator sinngemäss, dass sie das gerne tun würde, nur habe er ihren Ehemann verhaftet, und deshalb müsse sie zuerst ihren Ehemann und die anderen politischen Gefangenen rausbekommen, um das tun zu können.

Der alte Lukaschenko nahm Frau Tikhanovskaya auch da noch nicht ernst, und dann kam der 8. August, und der Rest ist Geschichte. Heute hat Belarus de facto eine funktionierende Regierung im Exil und Aktivisten in Belarus selber, die die Proteste gegen den Kolchose-Diktator am Laufen halten.

D.h. hat das, was die iranische, antiklerikale Opposition seit einundvierzig Jahren nicht schafft: Eine geeinte Front, um die Diktatur zu stürzen.

Wie man das im Iran erreichen könnte, dazu habe ich hier ein Beispiel: Im Iran könnte Reza Khandan, der Ehemann der zu Unrecht gefangen gehaltenen Sacharow-Preisträgerin und Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh, versuchen, als Präsidentschaftskandidat bei den Wahlen im nächsten Jahr anzutreten. Er hat alles, was man braucht, um in der Islamischen Republik Iran als Präsidentschaftskandidat antreten zu dürfen: Er ist ein Mann und schiitischer Muslim. Natürlich bin ich mir vollkommen im Klaren, dass ein Reza Khandan in der Islamischen Republik Iran nicht die geringste Chance hat, offiziell zu gewinnen, aber seine Kandidatur wäre ein gutes Zeichen und würde eventuell die Opposition im Iran und im Exil auf einen Kandidaten einen.

Denn eine der Schwächen der anti-klerikalen, iranischen Opposition ist nunmal der Mangel an passablen Kandidatinnen und Kandidaten für einen demokratischen Iran nach dem Regime-Change. Wenn man von seiner Hoheit Kronprinz Reza Pahlavi und Maryam Rajavi, die nicht wirklich säkular ist, absieht. Nur, diese Charaktere sind nunmehr seit mehr als vierzig Jahren dabei und haben es bis dato nicht geschafft, die Opposition hinter sich zu einen und das Regime zu stürzen.

Darum denke ich, dass es nun für die antiklerikale Opposition des Iran eminent wichtig wäre, die eingetretenen Pfade zu verlassen und nach neuen Taktiken und Kandidaten zu suchen, um das Regime der Statthalterschaft der Gelehrten auf den Müllhaufen der Geschichte zu befördern. Dafür sollten besagte Oppositionelle auch einen Blick nach Belarus werfen.

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