Mein Senf zum Gastbeitrag von Michail Chodorkowski im Tagesspiegel

Geehrte Leserinnen und Leser!

Mit grossem Unbehagen habe ich den Gastbeitrag von Michail Chodorkowski vor einigen Tagen im „Tagesspiegel“ gelesen.  Der Gastbeitrag ist nun hinter einer Paywall, ich werde ihn aber trotzdem unten verlinken.

Meiner Ansicht nach, können Sie sich aber die paar Euros sparen und ich sage Ihnen auch gleich warum. Im Osten nichts Neues, denn Chodorkowski wärmt die gleichen, leeren Plattitüden auf, die seit den Neunzigern von denen, die Russland zu wohlgesonnen sind, verbreitet wurden und sich nunmehr als Luftschlösser und Fata Morganas entpuppt haben.

Zum Beispiel ist immer noch die Rede von einem dezentralisierten und demokratischen Russland, als ob Russland nicht seit 1991, so lange wie die Ukraine und andere Staaten in der Region,  zahllose Chancen hatte, eine funktionierende Demokratie zu werden!

Russland dekolonialisieren will der Mischa aber nicht, da er fürchtet, dass dann das russische Elektorat einen anderen Tyrannen wählen würde und dieser dann das Imperium wieder errichten wolle. Grossartig! Ich dachte, dass die jetzigen Kriege nur die Schuld von Putin und den seinen seien, und die Russinnen und Russen nach der Sowjetunion und dem KGB-Zwerg genug von Diktaturen und Tyrannen haben und nach Demokratie dürsten. Ich habe mich wohl geirrt.

Denn lassen Sie mich eines klarstellen: Russland hat seine Chancen gehabt, jetzt ist es an der Zeit jenen zu helfen, die unter russischem Imperialismus und Chauvinismus gelitten haben. Wenn das bedeutet, dass die Burjaten dann Teil Mongoliens sein wollen, Karelien wieder Finnisch wird und die Kurilen wieder Japanisch werden, dann ist das eben so und die russische Bevölkerung muss das akzeptieren.

Das Problem jetzt ist ja gerade, das Russland international anerkannte Grenzen nicht akzeptiert und Völkerrecht bricht, um sich georgisches und ukrainisches Territorium einzuverleiben, währenddessen russische Intellektuelle darüber diskutieren, ob man auch noch Finnland (seit 1918 unabhängig von Russland) und Polen (seit Ende des 1. Weltkriegs unabhängig) als Teil der russischen Welt, des sogenannten „Russkiy Mir“, sehen soll!

Und so lange dem russischen Chauvinismus nicht der Kampf angesagt wird, kann Putin morgen tot umfallen und Russland wird nicht demokratisch werden und weiter eine Gefahr für Frieden und Fortschritt in der Region bleiben, denn sonst besteht, wie Chodorkowski selber zugibt, die Gefahr, dass schon morgen das russische Elektorat einen neuen Tyrannen wählt und dieser dann Polen annektieren will. Was soll die Weltgemeinschaft dann tun? Es um des lieben Friedens willen zulassen, dass wie in der Jugend von Marie Curie Warschau von Russland okkupiert wird?

Wie gesagt, das alles sind Probleme Russlands, welche das russische Elektorat selber lösen soll, anstatt sich als Imperium zu inszenieren und seine Nachbarn zu terrorisieren. Und solange diese Probleme nicht gelöst sind, wird sich Russland weiterhin in einem Teufelskreis bewegen, wo sich Tyrannen, welche die Auferstehung des russischen Zarenreichs und/oder der Sowjetunion predigen, sich die Klinke in die Hand geben.

Daran kann ein Michail Chodorkowski nichts ändern, daran konnte auch Boris Nemzow nichts ändern, trotz der Tatsache, dass beide im Erwachsenenalter vom Judentum zur russischen Orthodoxie konvertiert sind, und einer davon sogar mit seinem Leben für seine Überzeugungen bezahlt hat und in Gehdistanz zum Kreml hingerichtet wurde. Währenddessen musste Chodorkowski aus Russland fliehen und schlägt im Exil seine Zeit damit tot nach Luftschlössern zu jagen, die sich seit den Neunzigern als Lug und Trug entpuppt haben.

Summa summarum: Das Beste was man jetzt meiner Meinung nach, tun könnte, ist es, den Nachbarn Russlands zu helfen und Russland so gut es geht zu schwächen und zu isolieren, und endlich aufzuhören, auf jene zu hören, die seit Jahrzehnten immer den gleichen Unsinn von sich geben, ohne dass sich irgendetwas zum besseren geändert hat, und zu denen gehört Mischa dazu.

Ein demokratisches Russland ist möglich: Warum sich Putin nicht an der Macht halten kann (tagesspiegel.de)

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Die Plage des Chauvinismus

In den letzten Wochen haben mich verschiedene Leute gefragt, warum ich mich, fast schon obsessiv, mit dem Chauvinismus in Ländern wie Russland und dem Iran beschäftige und warum ich wiederhole, dass die Sowjetunion ökonomisch gescheitert, aber aufgrund des russischen Chauvinismus auseinandergebrochen ist. Nun ist der Chauvinismus in diesen Ländern tatsächlich ein Problem, das den Fortschritt nicht nur lähmt, sondern zur Stagnation und letztendlich zur Regression führt. Dieses Problem findet man nicht nur innerhalb der Regierungen von Staaten wie Russland und dem Iran, sondern auch in grossen Teilen der Bevölkerung und leider auch in der Opposition. Dies wird allerdings zu wenig wahrgenommen, da andere regressive Ideologien, wie Islamismus, Irredentismus und Imperialismus, die übrigens alle durch ein chauvinistisches Weltbild unterfüttert sind, eher zur Kenntnis genommen werden. Und ich rede hier bewusst von Chauvinismus und nicht von Rassismus, da zum Beispiel Russen, die von einem slawisch-orthodoxen Chauvinismus beseelt sind, katholische Polen verachten und niemand, der halbwegs vernunftbegabt ist, davon ausgeht, dass Polen eine andere Rasse als Russen angehören.

Es ist übrigens kaum verwunderlich, dass gerade die Rechtsnachfolger von gescheiterten Imperien, wie Russland und der Iran, eine solches Chauvinismus-Problem haben. Waren doch viele Imperien Feudalstaaten mit einem strikten Kastensystem, aus deren Denke der Chauvinismus ihrer Rechtsnachfolger geboren wurde. Dieser Chauvinismus sieht in Menschen, die im Kernland dieser Rechtsnachfolger und in den sogenannten «unerlösten Gebieten», die früher zu den Imperien gehört haben, leben aber nicht der Bevölkerungsmehrheit angehören, bestenfalls, Bürger zweiter Klasse. Der Chauvinismus erklärt die eigene Kultur, egal ob nun persischsprachig oder slawisch-orthodox, zur Krone der Schöpfung und Mitgliedschaft zu dieser Kultur als Voraussetzung für Menschen- und Bürgerrechte, weil eine durch Chauvinismus geprägte Denkweise Menschen- und Bürgerrechte nicht als verbriefte und unkündbare Bestandteile eines zivilisierten und modernen Staates ansieht, sondern als Privilegien für die eigene Bevölkerungsmehrheit.

Dies ist, meiner Meinung nach, ein erster Schritt Richtung Entmenschlichung. Wer Daniel Jonah Goldhagens Buch «Schlimmer als Krieg» gelesen hat, wird wissen, dass Entmenschlichung des Gegners, aber auch das Gegenübers, schlimmste Folgen haben kann, wie man zuletzt, unteranderem, in Ruanda sehen konnte. Eine chauvinistische Mentalität muss nicht notwendigerweise zu einem Genozid führen, aber schon heute sind die Auswirkungen erschreckend, wie die irredentistische und imperialistische Aussenpolitik Russlands, gegenüber Georgien und der Ukraine zeigt. In Georgien führte diese Aussenpolitik zu über 300 000 Binnenflüchtlingen, fast zehn Prozent der Gesamtbevölkerung, die aus den von Russlands Proxies besetzten Gebieten vertrieben wurden. Das war aber nicht der bisherige Höhepunkt der irredentistischen und imperialistischen Politik des Kremls, die ihren Ursprung in der chauvinistischen Mentalität vieler Russen hat, denn danach hat man auch, widerrechtlich, die Krim okkupiert. Und was das chauvinistische Denken angeht, ist die Opposition in Russland kaum besser, wenn man sich die Äusserungen von Alexei Nawalny zu nicht-slawischen, nicht-orthodoxen Minderheiten und sonstigen Bewohnern im russischen Kernland, im Kaukasus und in Zentralasien anhören darf. Es ist übrigens eine Tragödie, dass die grösste Hoffnung der Opposition in Russland sich nur in Nuancen vom Ethos des KGB-Zwergs im Kreml unterscheidet.

Wie oben schon erwähnt, ist Russland nicht der einzige Staat auf dieser Welt, dessen Gesellschaft von Chauvinismus durchtränkt ist und bei dem Chauvinismus, leider, von wohlmeinenden Relativisten und Apologeten, als Folklore abgetan wird. Auch der Iran, nicht nur das Regime der Islamischen Republik, hat ein grosses Problem mit Chauvinismus gegenüber Nicht-Iranern innerhalb des iranischen Kernlands und in der Region. Es hilft da nicht, wenn Korrespondenten, wie Martin Gehlen, persischen Chauvinisten Honig ums Maul schmieren und die unterdrückten Minderheiten innerhalb der islamischen Republik ignorieren. Der Iran ist ein Vielvölkerstaat, mit persischsprachiger Mehrheitsbevölkerung, darauf sollte mehr Rücksicht genommen werden und zwar sowohl von Auswärtigen, wie auch von den Iranern selbst. Gerade weil die von Chauvinismus und Islamismus angefeuerte, imperialistische und irredentistische Politik des Henkerregimes der Islamischen Republik, d.h. der Export der sogenannten «Islamischen Revolution» zu Flüchtlingsströmen, die sowohl aus der Islamischen Republik selber, wie auch aus dem Nahen- und Mittleren Osten, fliehen.