Bekentnnisse eines Vatanforoosh*: Die Schachfiguren

Geehrte LeserInnen!

Auf die Gefahr, mich bei Teilen der iranischen, antiklerikalen Opposition noch unbeliebter zu machen, als ich es jetzt schon bin, muss ich dennoch die folgenden Worte einfach schreiben, von wegen Psycho-Hygiene und so.

Denn ich hatte wieder eine widerliche Konversation, sprich eine verbale Auseinandersetzung mit einem iranischen Oppositionellen, bei der mir wieder Landesverrat gegenüber dem Iran vorgeworfen wurde, desweiteren wurde ich als Koli, als landlose Herumtreiberin/«Zigeunerin», beschimpft und mir wurde gesagt, das mein Verrat schlimmer sei als der von Trita Parsi. Trita Parsi ist ein bekannter Lobbyst für das Regime der Islamischen Republik Iran. Ausserdem wurde ich mit Schachfiguren verglichen. Der Herr erdreistete sich, von mir zu verlangen mein Leben für den Iran zu geben, und als ich ihn fragte, warum er nicht mit gutem Beispiel vorangehen würde und in die Schweiz geflohen sei, sagte er mir, das er als «richtiger Perser» der Nachfahre von Königen wie Kyros, Darius und Anushshirvan sei, deshalb der Schachfigur des Königs entsprechen würde und darum unter keinen Umständen sterben dürfe. ich hingegen sei aufgrund meiner kaukasischen Herkunft, ein «Aniran» und «Koli», entspreche deshalb einem Bauern beim Schach, mein Tod wäre demzufolge ein «Bauernopfer»,  und deshalb mache mich meine Weigerung für den Iran mein Leben zu geben zu einer schlimmeren Verräterin als Trita Parsi, da Trita Parsi zumindest ein richtiger Perser ist. Ich hoffe ich muss hier nicht näher darauf eingehen, warum ich Entmenschlichung als solche für gefährlich halte und kann deshalb nur auf den Bürgerkrieg in Ruanda verweisen.

Es ist zum Heulen. Während der Iran, unter der Herrschaft des Regimes der Statthalterschaft der Gelehrten immer weiter vor die Hunde geht und nun, nach all den Erdbeben und anderen Naturkatastrophen, auch noch vom Covid-19-Virus/Corona-Virus heimgesucht wird, ist die antiklerikale Opposition ein Kasperletheater und würde ohne Donald Trump als Präsidenten der USA nicht mal einen Blumentopf gewinnen. Solange diese exiliranische, antiklerikale Opposition daran festhält, an sechs Tagen in der Woche die Auferstehung des grosspersischen Reiches herbeizusehnen und am siebten Tag die Existenz der Islamischen Republik zu beklagen, hat das Henkerregime in Teheran nichts zu befürchten und kann schon seinen nächsten Geburtstag planen.

Dies alles zeigt meiner Meinung nach eines: Es ist das Versagen der Opposition, dass sich in über vierzig Jahren Terrorherrschaft von korrupten, menschenverachtenden, schiitischen Geistlichen manifestiert hat. Mir ist bewusst, dass die Iraner verzweifelt sind und deshalb  Jugendliche aus dem Iran zum Grab von Kyros dem Zweiten pilgern, in der Hoffnung, dass dieser a`la Dracula nach Sonnenuntergang von den Toten auferstehen und dem Mullahregime den Garaus machen würde.

Nun fragen mich manche Oppositionelle, warum ich mit diesen Oppositionellen interagieren würde, und meine Antwort darauf ist, weil das eben auch Oppositionelle sind oder das keine richtigen Oppositionellen seien, die klassische «No true Scotsman»-Argumentation, und es deshalb meine Schuld sei, wenn ich beschimpft, bedroht und geschlagen werde. Was falsch ist, denn dieser persische Chauvinismus innerhalb ist ein Problem der Iraner und sollte von Iranern selber gelöst werden, schon aus ureigenem Interesse, wie ich oben dargelegt habe, und Victim-Blaiming hat noch nie zu etwas Fortschrittlichem geführt. Deshalb sollte man das sein lassen. Für die Zukunft wünsche ich mir deshalb, gerade da Nowrooz vor der Tür steht, dass die Iraner es schaffen regressive Elemente sowohl innerhalb der antiklerikalen Opposition zu besiegen, als auch das Regime der Statthalterschaft der Gelehrten auf den Müllhaufen der Geschichte zu befördern.

*Vatanforoosh bedeutet auf Persisch «Landesverräter» und so nennen mich Iraner, weil ich als Georgierin nicht auf Georgiens Unabhängigkeit verzichten will, kein Farsi spreche, mich der persischen Kultur nicht zugehörig fühle und nicht bereit bin, für den Iran zu sterben. Den Iranern, die in mir deshalb eine Landesverräterin sehen, sei gesagt: «Dissent is the highest form of Patriotism» (dt. Dissens ist die höchste Form des Patriotismus).

**Ein «Aniran» ist ein Nicht-Arier/Nicht-Iraner, sprich jemand der türkischer oder kaukasischer Herkunft ist und nach Ansicht vieler Iraner deshalb primitiv und verräterisch.

P.S. Bevor ich es vergesse: Wenn Ihnen die Schreibe auf meinem Blog gefällt, können Sie ihn auf «Steady» unterstützen. Ich werde den passenden Link unten hinzufügen.

https://steadyhq.com/de/pinkkoshernostra

 

Offener Brief an Brigitta Renate Hemmer

Sehr geehrte Frau Hemmer

Es fällt mir schwer, die folgenden Zeilen zu schreiben, aber ich frage mich, ob es Ihnen am Text-Verständnis mangelt oder es etwas anderes ist, aber offensichtlich muss ich es tun. Nun denn, gestern schrieb ich die folgenden Zeilen auf meinem Blog:

«Das alles zeigt, dass die Gefahr für uns Juden nicht nur von Antisemiten selber, sondern auch von der Gleichgültigkeit der Gesellschaft ausgeht, und genau das ist es, was mir Sorgen bereitet. Denn wie der grosse Martin Luther King einst sagte: «Am Ende werden wir uns nicht an die Worte unserer Feinde erinnern, sondern an das Schweigen unserer Freunde.» D.h., dass sich Antisemiten judenfeindlich verhalten, ist nicht verwunderlich, darum sind sie ja Antisemiten, weil sie eben Judenfeinde sind. Dass die nichtjüdische Mehrheitsgesellschaft nichts tut, ist die eigentliche Tragödie und zeigt, dass die ganze, mantrahafte Wiederholung von «Nie Wieder» nichts als Rhetorik ist, denn viele Nicht-Juden haben offenbar nicht die richtigen Schlüsse aus der Geschichte gezogen.»

Dies verleitete Sie dazu folgenden Kommentar zu schreiben:

Dazu muss ich sagen, dass wir Juden, wie auch andere Minderheiten, ja Menschen allgemein, nicht dazu verpflichtet sind, jene zu bespassen, die uns demütigen und entmenschlichen. Diese Zeiten sind endgültig vorbei! Und ja, es ist erniedrigend und demütigend uns Juden als Insekten, als Ungeziefer darzustellen, wie das in Aalst wieder geschehen ist. Wenn man etwas Selbstliebe und Respekt hat, dann reagiert man nicht mit Humor auf Entmenschlichung, sondern kritisiert und protestiert gegen diesen Mangel an Anstand, denn dieser Mangel an Anstand ist gefährlich, das hat die Geschichte bewiesen. Hinter einem solchen Weltbild, das uns Juden zum Spass als Ungeziefer porträtiert, steckt folgende Aussage: «Wir haben euch Juden schon mal gedemütigt und ermordet, wir können das wieder tun.» Genau darum ist es wichtig, dass man Antisemitismus effektiv bekämpft und sowohl von Symbolpolitik ablässt, als auch keine Relativierung antisemitischer Propaganda und antisemitischer Taten betreibt. Das sage ich nicht aus Panikmache, sondern weil es mich die Geschichte gelehrt hat.

Für die Zukunft wünsche ich Ihnen, dass Sie auch etwas aus der Geschichte lernen und von uns Juden nicht erwarten, das wir jene bespassen, die uns demütigen und entmenschlichen. Schlicht und ergreifend deshalb, weil dies der zivilisatorische Mindeststandard sein soll, nach dem man im 21. Jahrhundert leben sollte und wir Juden Teil dieser Gesellschaft sind, als mündige Bürger und Bürgerinnen, und nicht als Fussabtreter von Antisemiten und jenen, die Antisemitismus relativieren.