Die Plage des Chauvinismus

In den letzten Wochen haben mich verschiedene Leute gefragt, warum ich mich, fast schon obsessiv, mit dem Chauvinismus in Ländern wie Russland und dem Iran beschäftige und warum ich wiederhole, dass die Sowjetunion ökonomisch gescheitert, aber aufgrund des russischen Chauvinismus auseinandergebrochen ist. Nun ist der Chauvinismus in diesen Ländern tatsächlich ein Problem, das den Fortschritt nicht nur lähmt, sondern zur Stagnation und letztendlich zur Regression führt. Dieses Problem findet man nicht nur innerhalb der Regierungen von Staaten wie Russland und dem Iran, sondern auch in grossen Teilen der Bevölkerung und leider auch in der Opposition. Dies wird allerdings zu wenig wahrgenommen, da andere regressive Ideologien, wie Islamismus, Irredentismus und Imperialismus, die übrigens alle durch ein chauvinistisches Weltbild unterfüttert sind, eher zur Kenntnis genommen werden. Und ich rede hier bewusst von Chauvinismus und nicht von Rassismus, da zum Beispiel Russen, die von einem slawisch-orthodoxen Chauvinismus beseelt sind, katholische Polen verachten und niemand, der halbwegs vernunftbegabt ist, davon ausgeht, dass Polen eine andere Rasse als Russen angehören.

Es ist übrigens kaum verwunderlich, dass gerade die Rechtsnachfolger von gescheiterten Imperien, wie Russland und der Iran, eine solches Chauvinismus-Problem haben. Waren doch viele Imperien Feudalstaaten mit einem strikten Kastensystem, aus deren Denke der Chauvinismus ihrer Rechtsnachfolger geboren wurde. Dieser Chauvinismus sieht in Menschen, die im Kernland dieser Rechtsnachfolger und in den sogenannten «unerlösten Gebieten», die früher zu den Imperien gehört haben, leben aber nicht der Bevölkerungsmehrheit angehören, bestenfalls, Bürger zweiter Klasse. Der Chauvinismus erklärt die eigene Kultur, egal ob nun persischsprachig oder slawisch-orthodox, zur Krone der Schöpfung und Mitgliedschaft zu dieser Kultur als Voraussetzung für Menschen- und Bürgerrechte, weil eine durch Chauvinismus geprägte Denkweise Menschen- und Bürgerrechte nicht als verbriefte und unkündbare Bestandteile eines zivilisierten und modernen Staates ansieht, sondern als Privilegien für die eigene Bevölkerungsmehrheit.

Dies ist, meiner Meinung nach, ein erster Schritt Richtung Entmenschlichung. Wer Daniel Jonah Goldhagens Buch «Schlimmer als Krieg» gelesen hat, wird wissen, dass Entmenschlichung des Gegners, aber auch das Gegenübers, schlimmste Folgen haben kann, wie man zuletzt, unteranderem, in Ruanda sehen konnte. Eine chauvinistische Mentalität muss nicht notwendigerweise zu einem Genozid führen, aber schon heute sind die Auswirkungen erschreckend, wie die irredentistische und imperialistische Aussenpolitik Russlands, gegenüber Georgien und der Ukraine zeigt. In Georgien führte diese Aussenpolitik zu über 300 000 Binnenflüchtlingen, fast zehn Prozent der Gesamtbevölkerung, die aus den von Russlands Proxies besetzten Gebieten vertrieben wurden. Das war aber nicht der bisherige Höhepunkt der irredentistischen und imperialistischen Politik des Kremls, die ihren Ursprung in der chauvinistischen Mentalität vieler Russen hat, denn danach hat man auch, widerrechtlich, die Krim okkupiert. Und was das chauvinistische Denken angeht, ist die Opposition in Russland kaum besser, wenn man sich die Äusserungen von Alexei Nawalny zu nicht-slawischen, nicht-orthodoxen Minderheiten und sonstigen Bewohnern im russischen Kernland, im Kaukasus und in Zentralasien anhören darf. Es ist übrigens eine Tragödie, dass die grösste Hoffnung der Opposition in Russland sich nur in Nuancen vom Ethos des KGB-Zwergs im Kreml unterscheidet.

Wie oben schon erwähnt, ist Russland nicht der einzige Staat auf dieser Welt, dessen Gesellschaft von Chauvinismus durchtränkt ist und bei dem Chauvinismus, leider, von wohlmeinenden Relativisten und Apologeten, als Folklore abgetan wird. Auch der Iran, nicht nur das Regime der Islamischen Republik, hat ein grosses Problem mit Chauvinismus gegenüber Nicht-Iranern innerhalb des iranischen Kernlands und in der Region. Es hilft da nicht, wenn Korrespondenten, wie Martin Gehlen, persischen Chauvinisten Honig ums Maul schmieren und die unterdrückten Minderheiten innerhalb der islamischen Republik ignorieren. Der Iran ist ein Vielvölkerstaat, mit persischsprachiger Mehrheitsbevölkerung, darauf sollte mehr Rücksicht genommen werden und zwar sowohl von Auswärtigen, wie auch von den Iranern selbst. Gerade weil die von Chauvinismus und Islamismus angefeuerte, imperialistische und irredentistische Politik des Henkerregimes der Islamischen Republik, d.h. der Export der sogenannten «Islamischen Revolution» zu Flüchtlingsströmen, die sowohl aus der Islamischen Republik selber, wie auch aus dem Nahen- und Mittleren Osten, fliehen.

Warum der Iran ein gescheitertes Imperium ist

Geehrte Leser!

Zu den folgenden Zeilen wurde ich durch die Worte des grössenwahnsinnigen Ayatollahs Alam Alhoda inspiriert, der in einer seiner Predigten den Kollaps der USA vorausgesehen haben will. Nun auch für grössenwahnsinnige schiitische Prediger gilt, was für uns Normalsterbliche gilt: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Und so schickt es sich nicht für Iraner die USA so zu beschimpfen, gerade wenn man die Geschichte der Perserreiche in Bezug auf Kolonialismus und Sklaverei durchforstet. Die USA hingegen, die nach Ansicht mancher Gelehrter den ersten Deizid der modernen Geschichte begangen haben, in dem sie vom japanischen Kaiser die sogenannte «Menschlichkeitserklärung» abgerungen haben (In der Erklärung bekannte sich der Kaiser dazu ein Mensch wie alle anderen und kein Arahitogami, ein menschgewordenes Kami zu sein.)  Trotzdem existieren die USA bis heute erfolgreich weiter, während die Islamische Republik Iran seit über 30 Jahren von einer andauernden Trockenheit heimgesucht wird.

Wenn man, wie Ayatollah Alam Alhoda, sehr religiös ist, könnte man in solchen Begebenheiten Zeichen des Himmels sehen. Zeichen des Himmels, die einem sagen wollen, dass man auf dem Holzweg ist, während die USA es richtig machen. Aber Ayatollah Alam Alhoda wäre kein grössenwahnsinniger Ayatollah, der wie viele seiner Landsleute, sowohl Anhänger des Regimes wie auch Oppositionelle, Geisel seines ureigenen Irredentismus ist, wenn er in sich gehen würde und über solche Dinge nachdenken würde.  Dabei ist es gerade der Irredentismus in Kombination mit der Tatsache, dass verkommene Subjekte, wie Ayatollah Alam Alhoda an den Schaltflächen der Macht in Teheran sitzen, der den Iran zu einem gescheiterten Imperium macht. Denn der Iran ist, als Rechtsnachfolger der Perserreiche, der Rechtsnachfolger von gescheiterten Imperien. Wären die Perserreiche nicht gescheitert, aufgrund konstanter Aufstände im Kaukasus und in Afghanistan, die durch persisch-schiitischen Chauvinismus provoziert wurden, und der zahlreichen und kostspieligen Kriege gegen die Osmanen, Russen und Britten, würden die Perserreiche noch existieren. Es ist aber die jetzige, irredentistische Politik, die iranische Soldaten und Söldner nach Syrien, in den Jemen und Libanon gebracht hat, die den Iran zu einem gescheiterten Imperium macht. Denn während das Regime der Statthalterschaft der Gelehrten, angetrieben vom eigenen grössenwahnsinnigen Traum das Perserreich unter dem Banner der Islamischen Republik wieder auferstehen zu lassen, die Ressourcen des Irans verspielt, leiden die Menschen im Iran unter dieser Politik, weil Lebensmittel schlicht unerschwinglich werden und das Grundwasser versiegt.

Währenddessen wollen Wohlmeinende in Europa und anderswo weiterhin einen Dialogmit dem Regime der Islamischen Republik betreiben und eine Annäherung suchen, was meiner Ansicht nach immer nur moralischer Prostitution gleichkommt. Denn welcher vernunftbegabte Mensch sollte danach streben sich in irgendeiner Form an eine menschenverachtende Theokratie anzunähern, die Menschen an helllichtem Tag an Baukränen aufhängen lässt?!

Und so ist es, dass hinter all der Revolutionsrhetorik der Ayatollahs, die blutige Fratze des Irredentismus lauert. Eines Irredentismus, der zu wenig Beachtung findet bei denen, die keine Skrupel dabei haben konstant britische oder französische Politiker des Kolonialismus und Imperialismus zu bezichtigen. Denn während die Geschichte von westlichen Kolonialmächten, wie Frankreich und Grossbritannien im grossen und ganzen aufgearbeitet wurde und sogenannte «Social Justice Warriors» im angelsächsischen Raum immer mehr zur Plage werden, ist die Geschichte von Sklavenhandel, Imperialismus und Kolonialismus in Staaten wie der Türkei, aber auch im Iran immer noch nicht richtig erforscht. Obwohl es sich sowohl bei der Türkei wie auch beim Iran um Erben von gescheiterten Imperien handelt. Gerade diese fehlende Aufarbeitung ist es, die regressiven Kräften in der Islamischen Republik Iran Antrieb verleiht und den Iran allgemein wieder in imperialistische und irredentistische Angewohnheiten abgleiten lässt.

Dies lässt sich am folgenden Beispiel gut beobachten: Die kanadisch-iranische Wissenschaftlerin Behnaz Mirzai erforscht seit über zwanzig Jahren die afrikanische Diaspora des Iran. Diese Diaspora stammt von Sklaven ab, die von der afrikanischen Ostküste während der Zeit der Perserreiche, unteranderem, nach Sistan und Baluchistan verschleppt wurden. Trotz der Tatsache, dass nur ein kleiner Teil der Sklaven im Perserreich aus Afrikanern bestand, die Mehrheit der Sklaven dagegen aus versklavten Völkern des Kaukasus, primär Tscherkessen und Georgiern, wird Frau Mirzais Forschung konstant von anderen Iranern ins Lächerliche gezogen oder gar sabotiert. Mit einer solchen Einstellung, die durch die im Iran vorherrschende Schamkultur gespiesen wird, zementiert man die Rolle des Iran als gescheitertes Imperium.