Warum haben Neo-Nazis das Bedürfnis in der Gegend rumzugurken?

Geehrte LeserInnen!

Am 8. Februar 2020 beteiligten sich um die 500 Neo-Nazis am sogenannten «Tag der Ehre» in Budapest, bei dem sie in Kostümen der Achsenmächte die Kesselschlacht von Budapest und die schmähliche Niederlage der Achsenmächte gegen die heranrückende Rote Armee gedacht haben.

In diesem Beitrag geht es mir weder um Ungarn im Allgemeinen, noch Budapest im Besonderen, sondern mir stellt sich die Frage: Warum haben Nazis das Bedürfnis, in der Gegend rumzugurken und im Jahr 2020 in einer Stadt mitten in Europa, in antiquierten Soldatenuniformen, in einem Zelt zu nächtigen wie Obdachlose, um dabei eine Schlacht aus dem zweiten Weltkrieg nachzuspielen, die für ihre Seite mehr als kläglich endete?

Diese Leute sind eigentlich gegen Migration, so weit, dass Leute wie der NSU einen Griechen(!), sprich einen anderen Europäer, brutal ermordet haben. Und wo machte der NSU Urlaub im Camper? Ausgerechnet in Portugal! Portugal hat nach der Nelkenrevolution mehrheitlich Regierungen gehabt, die sich als links verstehen und am 12. April 2013 hat das portugiesische Parlament einstimmig ein Gesetz beschlossen, das den Nachfahren der Juden die im Zuge der «Reconquista» von der iberischen Halbinsel vertrieben wurden, die portugiesische Staatsbürgerschaft verleiht. Und ausgerechnet dieses Land haben die NSU-Terroristen heimgesucht. Damit sind sie nicht die Einzigen, wie die Tatsache zeigt, dass Leute, die absolut gegen Migration sind, trotzdem nichts Besseres zu tun haben, als in der Gegend rumzugurken. Das verstehe ich nicht. Können die nicht einfach auf ihrer Scholle bleiben und ihre Lieblings-Eiche besamen?

Natürlich ist mir bewusst, dass viele Fremdenfeinde grosse Heuchler sind, wie ich das schon zu Genüge am eigenen Leib erdulden musste. Zuletzt hier in Zürich, als mir ein iranischer Flüchtling sagte, dass ich zurück nach Turan* deportiert gehöre, weil ich «Bumeh Ariyani» (dt. Iranischen/arischen Boden) verschmutzen würde.

Gerade aufgrund dieser Heuchelei ist es legitim, sich über die Heuchelei von vermeintlichen Herrenmenschen lustig zu machen, die am Ende und ohne Not wie Obdachlose in Zelten nächtigen. Oder wie ein gewisser Rechter aus Nordrhein-Westfalen ihre Lebensmittel bei der «Tafel» holen müssen. Letzterer aufgrund tatsächlicher, aber selbstverschuldeter Not, denn man hört, dass dieser Mann Aussenhandelskaufmann gelernt hat.

Noch eine Anmerkung meinerseits: Wer dieses Wochenende in Dresden war, um an die Bombardierung Dresdens durch die Allierten zu erinnern, der hat sie in meinen Augen nicht mehr alle, denn die Bombardierung von Dresden war die Antwort auf die vorherigen Bombardements von Gernika (Guernica), Warschau, London und Coventry. D.h. hätte es die vorherigen Bombardements der deutschen Luftwaffe und der Achsenmächte nicht gegeben, so wäre Dresden heil geblieben.
Wer das nicht verstehen will, dem ist nicht mehr zu helfen. Aber auch im Fall von Dresden gurken Ewiggestrige hirnlos in der Gegend rum, um an ihre Niederlagen zu erinnern, wie beim sogenannten «Tag der Ehre» in Budapest und zeigen somit ihre Heuchelei, anstatt auf ihrer Scholle zu bleiben und dort zu brüten, wie sie es eigentlich propagieren.

*Eine mystische Region in Zentralasien, wo sich nach iranischen Legenden die Feinde des Iran niedergelassen haben und nun dort siedeln.

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Putin, die STASI und der mündige Bürger

Kürzlich wurde bekannt, dass der STASI-Ausweis von keinem geringeren als Wladimir Wladimoriwitsch Putin, dem jetzigen russischen Präsidenten, in einem Dresdner Archiv gefunden wurde. Die Boulevard- und einige seriöse Medien haben sich auf diesen «Scoop» gestürzt und auch Teile der Bevölkerung in vielen zivilisierten Staaten waren schockiert. Mich hat dieser Fund des STASI-Ausweises von Putin weder überrascht noch schockiert, denn Putin war Leiter des FSB, der Nachfolgeorganisation des KGB, bevor er zum Präsidenten von Russland gewählt wurde. Ja, meine Damen und Herren, das russische Wahlvolk wählte vor bald zwanzig Jahren den Leiter der Nachfolgeorganisation des KGB zu seinem Präsidenten. Die Folgen dieser verhängnisvollen Wahl dürften jedem bekannt sein, der gelegentlich Medien konsumiert und nicht unter einem Stein in Usbekistan haust. Aber ich nenne trotzdem gerne ein paar Stichwörter: Chodorkowski, Okkupation der Zchinwali-Region und der Krim, «Pussy-Riot» etc. Dies alles wäre einigermassen und vorhersehbar und verhinderbar gewesen, wenn man so etwas wie bürgerliche Kultur in Russland hätte und mündige Bürger sich bewusst gemacht hätten, zu was es führen würde, wenn man einen Mann zum mächtigsten Politiker macht, von dem nur bekannt ist, das er in St.Petersburg geboren und aufgewachsen war und dann jahrelang, zuerst dem KGB und dann dem FSB gedient hatte, bis er schliesslich an der Spitze von eben diesem FSB stand.

Mir geht es nicht darum irgendwelche Verschwörungstheorien oder Hirngespinste breitzuschlagen und so zu tun, als ob Putin die russisch-sowjetisch Version von James Bond gewesen wäre. Bei seiner Statur und seinen lächerlichen Fremdsprachenkenntnissen würde ich eher vermuten, das er seine Zeit bei der STASI, beim KGB und dem FSB in einer ähnlich armseligen Position verbracht hat, wie der fiktive STASI-Agent im deutschen  Film «Das Leben der Anderen».  Trotzdem finde ich persönlich es nicht gut, dass ein öffentliches Amt, wie das des Präsidenten mit einem Mann besetzt ist, der vom Prinzip her ein Enigma ist, weil seine Akte immer noch als «streng vertraulich» unter Verschluss gehalten wird. Aber das sieht das russische Wahlvolk offenbar anders, denn die einzigen Proteste, die in den letzten Jahren von breiten Schichten in der russischen Bevölkerung begrüsst und getragen wurden, waren die Proteste gegen die Erhöhung des Rentenalters. Nicht der Augustkrieg gegen Georgien, nicht die Invasion und Okkupation der Ost-Ukraine und der Krim, sondern die Erhöhung des Rentenalters. Eine Tragödie. Fast scheint es, dass es den russischen Bürger nicht sonderlich kümmert, was sein Staat, seine Regierung macht, so lange sein Wodka auf dem Tisch steht und er zeitig, mit sechzig Jahren, in Rente gehen kann. Dies lässt auf einen absoluten Mangel von politischem Bewusstsein eines mündigen Bürgers schliessen.

Denn und da sind sich die Wähler und Anhänger von Putin und Erdogan ähnlich: Es war von Anfang klar, dass man keinen Wolf im Schlafspelz wählt, sondern den Wolf ohne jegliche Verkleidung und es war auch von Anfang klar wohin die Reise gehen würde. Aber das war der Anhängerschaft dieser beiden Autokraten egal, so lange andere Personengruppen als Sündenböcke und Fussabtreter hinhalten mussten. Und so ist es notwendig, dass man auch die Bürger von Staaten wie Russland und der Türkei in die Verantwortung nehmen muss, denn Demokratie bedeutet nicht nur am Wahltag ein Couvert in die Wahlurne werfen zu dürfen, sondern auch das Bekenntnis zu einem Rechtsstaat, zu Gewaltentrennung und zur Wahrung von Menschen- Bürger- und Minderheitenrechten. Mit einer solchen Regierung und einem solchen Wahlvolk wundert es mich nicht, wenn Staaten wie Russland und die Türkei noch für ein paar Jahre Schwellenländer bleiben werden. Denn ohne funktionierenden Rechtsstaat gibt es in den seltensten Fällen wirtschaftlichen Aufschwung, oder irgendeine, denkbare Form von Progress. Stattdessen bleibt man im besten Fall in einem Sumpf von Elend stecken, oder gibt sich gar völlig dem Regress hin, wie in den oben genannten Staaten zu beobachten ist. In Russland feiert der russisch-orthodoxe Chauvinismus Urstände unter einem Ex-KGB-Apparatschik und in der Türkei wird die laizistische Republik Atatürks von Erdogan, einem Anhänger des Neo-Osmanismus, der mit der Muslimbruderschaft verbandelt ist, zu Grabe getragen. All das getragen von einem, im besten Fall, passiven Wahlvolk. Kurzum: Nicht der in einem Dresdner Archiv gefundene STASI-Ausweis von Putin, oder das Gedicht von Ziya Gökalp, dass Erdogan vorgetragen hat, sind die Probleme. Nein, sowohl der Ausweis wie auch das Gedicht symbolisieren viel mehr einen Mangel an Bürgerbewusstsein in Russland und der Türkei. Dieser Mangel ermöglichte es Autokraten, wie Putin und Erdogan Macht zu erlangen.