Die antiklerikale, iranische Opposition: Ein Lagebericht

Geehrte Leser!

Schon vor einiger Zeit schrieb ich einen Bericht, der sich mit dem Zustand der antiklerikalen, iranischen Opposition im angelsächsischen und im deutschsprachigen Raum befasste. Nun, da das Regime und seine Anhänger das vierzigjährige Jubiläum der islamischen Revolution feierten, ist es meiner Meinung an der Zeit, wieder einen Blick darauf zu werfen, wie es um die antiklerikalen Oppositionellen steht. Besonders, da mein vorheriger Bericht hart mit diesen Oppositionellen ins Gericht ging.

Was hat sich seitdem verändert? Nun, im Jahr 2018 rollte eine riesige Protestwelle über die Islamische Republik. Sowohl kurdische Umweltschützer, wie auch streikende Arbeiter in der «Haft Tappeh» Zuckerfabrik in Susch, im Süd-Iran, wie auch Studenten an den verschiedenen Universitäten von Teheran drückten ihr Missfallen über die Existenz der sogenannten Statthalterschaft der Rechtsgelehrten und den obersten Religionsführer Khameini aus. Und die antiklerikale Opposition im Exil, was tat die? Diese Opposition versuchte, die Protestierenden im Iran, so gut es eben ging zu unterstützen und schloss sich nun zu einem Netzwerk, namens «Farshgard»/ «Iran Revival» zusammen, das primär in Sozialen Netzwerken wie «Twitter» aktiv ist. Damit hat es sich im Grossen und Ganzen.

In meinem letzten Bericht schrieb ich darüber, dass der iranischen Opposition Führungspersönlichkeiten fehlen. Auch hier tat sich kaum etwas, denn entweder sind die Frauen, die man als «Salz der Erde» bezeichnen könnte, wie Narges Mohammadi und Nasrin Sotoudeh im Gefängnis, oder man hofft darauf, dass der Kronprinz, seine Hoheit Reza Pahlavi, aus dem amerikanischen Exil zurückkehrt. Daneben habe ich Vorschläge für das Amt eines Präsidenten, gehört, die absolut unrealistisch und bizarr waren, wie die Sängerin Googoosh, den Komiker Kamran Atabaki und den jetzigen, israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu. Ja, die Iraner sind verzweifelt und ich merke es, auch und gerade deshalb, wenn Jugendliche aus dem Iran zum Grab von Kyros dem Zweiten pilgern, in der Hoffnung, dass dieser a` la Dracula nach Sonnenuntergang von den Toten auferstehen und dem Mullahregime den Gar ausmachen würde. Wie man sieht, hat sich bezüglich einer passablen Führungspersönlichkeit wenig getan, seit meinem letzten Bericht.

Auch in Bezug auf regressive Elemente innerhalb der iranischen, antiklerikalen Opposition muss, meiner Ansicht nach, ein Augenmerk gerichtet werden. Damit beziehe ich mich auf die langsame Infiltration von Personen, die Organisationen, wie den Volksmujaheddin nahestehen und deshalb in andere oppositionelle Netzwerke, in parasitärer Manier, eindringen. Etwas, das mir nicht bewusst war und das mich im letzten Jahr extrem hart getroffen hat, ist der Irredentismus innerhalb der Exil-iranischen Gemeinschaft und besonders der antiklerikalen Opposition. Mir ist bewusst geworden, dass dieser Irredentismus für viele iranische Oppositionelle ein säkularer Religionsersatz ist, eine Art Trost für das Leben im unfreiwilligen Exil, doch trotzdem treffen mich die Morddrohungen und auch die generelle Dehumanisierung von Nicht-Iranern aus diesem Umfeld sehr.

Ein paar Beispiele:

  • Einmal beschimpfte mich ein Exiliraner als «Vatanforoosh» (dt: Landesverräter) und «dirty gorji» (dt: dreckige Georgierin) und drohte mir damit, meine Kehle durchzuschneiden.
  • Ein anderes Mal beschimpfte man mich als «bisharaf» (dt: ehrlos), «dirty Tork» (dt: dreckige Türkin), als «lower than Malakhor (dt: Heuschreckenfresser*), lower than animals» und wieder als Landesverräterin und drohte mir damit, meine Leichenteile an Hunde zu verfüttern.
  • Wieder ein anderes Mal, wurde mir damit gedroht mich mit dem gleichen Strick zu erhängen, wie Khameini, weil ich als «dirty gorji» keinen eigenen Strick verdienen würde. Des Weiteren drohte man mir, dass man das Werk von Mohammad Agha Khan vollenden würde.

Das alles nur deshalb, weil ich georgischer Herkunft bin und für mich die Unabhängigkeit Georgiens nicht zur Disposition steht, d.h. ich bin gegen eine Okkupation Georgiens von Seiten Russlands, der Türkei oder des Irans. Natürlich ist mir bewusst, dass nicht alle Iraner verkappte Irredentisten sind, doch die Tatsache, dass dem Treiben dieser Gestalten innerhalb der antiklerikalen Opposition nichts entgegensetzt wird, beunruhigt mich sehr. Insgesamt lässt sich sagen, dass solcher Chauvinismus regressives Verhalten begünstigt und dafür sorgt, dass das Henkerregime zu Teheran von der Unfähigkeit der Opposition, in einem unglaublichen Mass, profitiert. Das Henkerregime der Mullahs, das keinerlei demokratische oder moralische Legitimität besitzt, um über den Iran zu herrschen, profitiert auch von der Tatsache, dass grosse Teile der iranischen Diaspora, in den letzten Jahren, sehr unpolitisch oder gar opportunistisch sind. Oder wie «Iran Journal» am 11. Februar 2019, im Artikel «40 Jahre iranische Revolution: 40 Jahre Flucht und Vertreibung» schrieb: Die meisten Iraner, die heute in den Westen kommen,  sind unpolitische Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen das Land verlassen und sich im Westen ein besseres Leben erhoffen. Diese Leute denken zuerst an die Karriere und daran, ob eine politische Karriere für sie Nachteile haben könnte. Ausserdem arbeiten sie daraufhin schnellstens eingebürgert zu werden, um zwischen dem Iran und dem Westen hin- und herfliegen zu können. Die tatsächlichen Oppositionellen können das bis heute nicht. Und genau diese Melange aus Opportunismus, Irredentismus und anderem regressiven Verhalten ist es, die das Mullahregime am Leben hält, trotz allem. Summa summarum ist es der erbärmliche Zustand der Opposition, der die Statthalterschaft der Gelehrten immer noch zementiert. Und das ist die Tragödie, denn wie ich schon in meinem früheren Bericht schrieb: Der Iran hat, für einen Staat in der MENA-Region, eine, halbwegs funktionierende, fortschrittliche Zivilgesellschaft. Das sind gute Omen für eine weitere Demokratisierung. Wie auch die Tatsache, dass der oberste Religionsführer des Irans und der ganze Apparat des Regimes, im Gegensatz zu Erdogan in der Türkei und dem FSB-Apparatschik in Russland, nicht demokratisch legitimiert ist.

*Wörtlich bedeutet «Malakhor» auf Persisch «Heuschreckenfresser», gemeint sind damit aber Araber.

Warum der Iran ein gescheitertes Imperium ist

Geehrte Leser!

Zu den folgenden Zeilen wurde ich durch die Worte des grössenwahnsinnigen Ayatollahs Alam Alhoda inspiriert, der in einer seiner Predigten den Kollaps der USA vorausgesehen haben will. Nun auch für grössenwahnsinnige schiitische Prediger gilt, was für uns Normalsterbliche gilt: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Und so schickt es sich nicht für Iraner die USA so zu beschimpfen, gerade wenn man die Geschichte der Perserreiche in Bezug auf Kolonialismus und Sklaverei durchforstet. Die USA hingegen, die nach Ansicht mancher Gelehrter den ersten Deizid der modernen Geschichte begangen haben, in dem sie vom japanischen Kaiser die sogenannte «Menschlichkeitserklärung» abgerungen haben (In der Erklärung bekannte sich der Kaiser dazu ein Mensch wie alle anderen und kein Arahitogami, ein menschgewordenes Kami zu sein.)  Trotzdem existieren die USA bis heute erfolgreich weiter, während die Islamische Republik Iran seit über 30 Jahren von einer andauernden Trockenheit heimgesucht wird.

Wenn man, wie Ayatollah Alam Alhoda, sehr religiös ist, könnte man in solchen Begebenheiten Zeichen des Himmels sehen. Zeichen des Himmels, die einem sagen wollen, dass man auf dem Holzweg ist, während die USA es richtig machen. Aber Ayatollah Alam Alhoda wäre kein grössenwahnsinniger Ayatollah, der wie viele seiner Landsleute, sowohl Anhänger des Regimes wie auch Oppositionelle, Geisel seines ureigenen Irredentismus ist, wenn er in sich gehen würde und über solche Dinge nachdenken würde.  Dabei ist es gerade der Irredentismus in Kombination mit der Tatsache, dass verkommene Subjekte, wie Ayatollah Alam Alhoda an den Schaltflächen der Macht in Teheran sitzen, der den Iran zu einem gescheiterten Imperium macht. Denn der Iran ist, als Rechtsnachfolger der Perserreiche, der Rechtsnachfolger von gescheiterten Imperien. Wären die Perserreiche nicht gescheitert, aufgrund konstanter Aufstände im Kaukasus und in Afghanistan, die durch persisch-schiitischen Chauvinismus provoziert wurden, und der zahlreichen und kostspieligen Kriege gegen die Osmanen, Russen und Britten, würden die Perserreiche noch existieren. Es ist aber die jetzige, irredentistische Politik, die iranische Soldaten und Söldner nach Syrien, in den Jemen und Libanon gebracht hat, die den Iran zu einem gescheiterten Imperium macht. Denn während das Regime der Statthalterschaft der Gelehrten, angetrieben vom eigenen grössenwahnsinnigen Traum das Perserreich unter dem Banner der Islamischen Republik wieder auferstehen zu lassen, die Ressourcen des Irans verspielt, leiden die Menschen im Iran unter dieser Politik, weil Lebensmittel schlicht unerschwinglich werden und das Grundwasser versiegt.

Währenddessen wollen Wohlmeinende in Europa und anderswo weiterhin einen Dialogmit dem Regime der Islamischen Republik betreiben und eine Annäherung suchen, was meiner Ansicht nach immer nur moralischer Prostitution gleichkommt. Denn welcher vernunftbegabte Mensch sollte danach streben sich in irgendeiner Form an eine menschenverachtende Theokratie anzunähern, die Menschen an helllichtem Tag an Baukränen aufhängen lässt?!

Und so ist es, dass hinter all der Revolutionsrhetorik der Ayatollahs, die blutige Fratze des Irredentismus lauert. Eines Irredentismus, der zu wenig Beachtung findet bei denen, die keine Skrupel dabei haben konstant britische oder französische Politiker des Kolonialismus und Imperialismus zu bezichtigen. Denn während die Geschichte von westlichen Kolonialmächten, wie Frankreich und Grossbritannien im grossen und ganzen aufgearbeitet wurde und sogenannte «Social Justice Warriors» im angelsächsischen Raum immer mehr zur Plage werden, ist die Geschichte von Sklavenhandel, Imperialismus und Kolonialismus in Staaten wie der Türkei, aber auch im Iran immer noch nicht richtig erforscht. Obwohl es sich sowohl bei der Türkei wie auch beim Iran um Erben von gescheiterten Imperien handelt. Gerade diese fehlende Aufarbeitung ist es, die regressiven Kräften in der Islamischen Republik Iran Antrieb verleiht und den Iran allgemein wieder in imperialistische und irredentistische Angewohnheiten abgleiten lässt.

Dies lässt sich am folgenden Beispiel gut beobachten: Die kanadisch-iranische Wissenschaftlerin Behnaz Mirzai erforscht seit über zwanzig Jahren die afrikanische Diaspora des Iran. Diese Diaspora stammt von Sklaven ab, die von der afrikanischen Ostküste während der Zeit der Perserreiche, unteranderem, nach Sistan und Baluchistan verschleppt wurden. Trotz der Tatsache, dass nur ein kleiner Teil der Sklaven im Perserreich aus Afrikanern bestand, die Mehrheit der Sklaven dagegen aus versklavten Völkern des Kaukasus, primär Tscherkessen und Georgiern, wird Frau Mirzais Forschung konstant von anderen Iranern ins Lächerliche gezogen oder gar sabotiert. Mit einer solchen Einstellung, die durch die im Iran vorherrschende Schamkultur gespiesen wird, zementiert man die Rolle des Iran als gescheitertes Imperium.