Rohani, der falsche Reformer

Geehrte LeserInnen!

Derzeit werden wir von einem Trend heimgesucht, bei dem die Islamische Republik Iran mit der Sowjetunion in den Achtzigern und Hassan Rohani mit Michail Gorbatschow verglichen wird. Diese Widerlichkeit löst in mir körperliches Unwohlsein aus, denn man muss weder Kommunist sein noch irgendwelche Sympathien für Michail Gorbatschow haben, um zu verstehen, dass diese Vergleiche die Schrecken des Regimes der Islamischen Republik relativieren. Deshalb schreibe ich in diesem Beitrag, warum Rohani kein iranischer Gorbatschow ist und warum wir aus Teheran keine «Perestroika» erwarten sollten.

Zuallererst: Unter dem sogenannten Reformer Rohani, der sich selbst übrigens nicht als «Reformer», sondern als sogenannten «Moderaten» sieht, gibt es keine Reformen in der Islamischen Republik Iran. Stattdessen werden immer noch riedliche Proteste gewaltsam unterdrückt und Menschenrechtler werden ins Gefängnis geworfen oder verlassen aus Angst den Iran und schliessen sich der iranischen Diaspora an, weil sie schlicht für sich keine Zukunft unter dem jetzigen Regime sehen.

Aber das Fehlen von Menschen- und Bürgerrechten ist nicht das Einzige, das zeigt, dass Rohani die Karikatur eines orientalischen Despoten, aber kein echter Reformer ist. Konkret wäre da noch sein fehlendes Engagement für die Opfer der Naturkatastrophen, die den Iran in den vergangenen Jahren heimgesucht haben. Während Gorbatschow aus dem Tschernobyl-Desaster gelernt hatte und nach dem Erdbeben von Spitak 1988 westliche Staaten, darunter die USA, trotz des Kalten Krieges, um humanitäre Hilfe bat, die auch vom amerikanischen Präsidenten Reagan zur Verfügung gestellt wurde, wies die Regierung von Hassan Rohani die Hilfsangebote der Israelis und Amerikaner brüsk ab und lässt iranische Bürger nun wörtlich auf dem kalten Boden schlafen. Dies ist übrigens kein Novum für das Regime der Islamischen Republik Iran: 2017 wurden die ersten Bilder von Obdachlosen in den Slums im Süden Teherans veröffentlicht, die auf Friedhöfen, in Gräbern nächtigen. Allerdings handelte sich bei diesen Obdachlosen vielfach um Drogenabhängige und Strassenkinder. Die Menschen, die nun im Iran unter freiem Himmel nächtigen müssen, sind hingegen Opfer von Naturkatastrophen. Während also Gorbatschow, weil er schlicht und ergreifend kein menschenverachtender Unhold ist, damals seinen Stolz heruntergeschluckt hat, um den Menschen in Armenien damals so gut es geht zu helfen, anstatt die Katastrophe zu vertuschen, lässt die iranische Regierung heute die Einwohner des Iran mit ihrem Elend im Stich.

Aber das ist noch nicht alles: Während Gorbatschow nach dem Massaker von Tbilisi am 9. April 1989 eine für sowjetische Verhältnisse unabhängige Untersuchungskommision einsetzte und am Ende zugab, dass das Militär unbewaffnete Demonstranten angegriffen hatte, was zum Tod von über 20 Demonstranten, mehrheitlich Frauen, führte. Das, obwohl er wusste, dass diese Fakten der georgischen Unabhängigkeitsbewegung dienlich sein würden, Rohani dagegen leugnet weiterhin das Offensichtliche und beschwichtigt sowohl die Einwohner des Iran wie auch Regime- und Islam-Apologeten ausserhalb und erzählt etwas vom Pferd, sprich von Progress der nur in den Köpfen von naiven Geschöpfen stattgefunden hat. Obwohl die Fakten eine andere Geschichte erzählen, wie zum Beispiel die des nicht aufzuhaltenden Brain-Drains, unter dem der Iran leidet.

Des Weiteren, wie die in London ansässige, oppositionelle Nachrichtenseite «Iran International» am 29. Januar berichtet hatte, weigerte sich der staatliche Rundfunk des Iran, IRIB, eine Rede Rohanis auszustrahlen. D.h. selbst wenn Rohani ein iranischer Gorbatschow sein wollen würde, könnte er keiner sein, da er schlicht und ergreifend machtlos ist. Weil in der Islamischen Republik Iran alle Macht beim sogenannten obersten Religionsführer, Ali Khameini, und den Revolutionsgarden konzentriert ist. Und diese wollen diese Macht unter keinen Umständen abgeben und so werden wir alle anstatt Zeuge von echten Reformen im Iran Zeugen einer bizarren «Guter Cop/Böser Cop»-Masche, die das Regime seit den Tagen von Khatami perfektioniert und die es nun benutzt, um den sogenannten «Iran-Deal» zu retten, der von Anfang an, auf die Gefahr hin, wie eine kaputte Schallplatte zu klingen, eine Totgeburt war.

Was es stattdessen meiner Meinung nach braucht, sind effektive Sanktionen, die den Handlungsspielraum des Regimes massiv einschränken und so verhindern, dass das Mullahregime zu Teheran weiterhin seine regionalen Nachbarn schikanieren und Terror exportieren kann. Denn nichts anderes tut das Regime, das ausser Terror derzeit nur Petro-Chemie, Pistazien und Safran im Angebot hat und, das darf man nicht vergessen, durch Proxies wie die Hisbollah für den grössten Massenmord an jüdischen Zivilisten nach dem zweiten Weltkrieg, das AMIA-Attentat, verantwortlich ist.

Zu guter Letzt beleidigt man mit dem Vergleich von Rohani und Gorbatschow nicht nur tatsächliche Reformer, sondern man impliziert auch, dass der Iran als solcher kurz vor dem Zusammenbruch steht. Denn die Sowjetunion ist Ende der Achtziger nicht nur ökonomisch gescheitert, sondern auch aufgrund des russischen Chauvinismus gegenüber nicht-slawischen, nicht christlich-orthodoxen Minderheiten als Staat zusammengebrochen. Heute den Iran mit der Sowjetunion unter Gorbatschow zu vergleichen, würde demnach bedeuten, dass man glaubt, dass nicht nur das Regime kurz vor dem Untergang ist, sondern der Iran als Nation kurz vor dem Kollaps und darum auf bestem Wege, ein «failed state» zu werden. Dem ist aber nicht so. Zwar hat auch der Iran Probleme mit separatistischen Bestrebungen von Seiten der Kurden, Aserbaidschaner und Balochen, die durch den persischen Chauvinismus angefeuert werden. Aber im Gegensatz zur Sowjetunion in den Achtzigern sind diese separatistischen Bestrebungen schlecht organisiert und demzufolge noch keine Bedrohung für die territoriale Integrität des Iran. Alles in allem sind Vergleiche zwischen Gorbatschow und Rohani und der Sowjetunion der Achtziger mit dem Iran von heute so unterkomplex, dass sie schlicht falsch sind.

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Die Vergessenen Europas

«Die Revolution verschlingt Saturn gleich ihre eigenen Kinder», dieses Zitat wird dem Revolutionär und Rechtsanwalt Pierre Verginaud zugeschrieben, der diese Worte angeblich sprach, als er zum Schaffot geführt wurde. Diese Worte haben heute in Europa traurige Aktualität. Denn in vier Entitäten auf europäischem Boden wird noch die Todesstrafe vollstreckt, nämlich in Abchasien, Belarus und den sogenannten «Volksrepubliken» in Donetzk und Lugansk. Diese vier Entitäten haben neben der Todesstrafe noch eine Gemeinsamkeit: Sie alle sind Kreml-Proxies. Das heisst, sie existieren nur aufgrund der Gnade und den Ressourcen, die sie aus Moskau bekommen. Auch wenn der Kreml dieser Tage nicht mehr so grosszügig ist wie früher.

Diese Fakten müssen wir uns wieder vor Augen führen, wenn uns Nachrichten wie diese erreichen: In der DNR, der sogenannten «Volksrepublik Donetzk», wurde einer der «Kommandanten», ein Mann namens Alexey Krivulyu, unter fadenscheinigen Gründen hingerichtet. Nun könnte man denken, dass die Hinrichtung einer solchen Elendsgestalt wie des genannten Kommandanten nicht weiter wichtig ist, doch sie verweist auf etwas anderes: Nämlich die totale Indifferenz der freien Welt, gegenüber dem, was östlich von Bug* und Dnjepr** geschieht. Einschliesslich der totalen Ignoranz gegenüber dem Fakt, dass in vier Entitäten immer noch Menschen hingerichtet werden und diese Entitäten keine Rechtsstaaten sind. Kommt dazu, dass nur eine Entität, nämlich Belarus, de jure ein souveräner Staat ist, und die anderen Entitäten nicht mehr als Kreml-Proxies sind, mit denen Russland seine Okkupation von georgischem respektive ukrainischem Gebiet kaschiert.

Weder Indifferenz noch die Ignoranz demgegenüber, was östlich des Bugs und der Dnjepr passiert, ist wirklich neu. Wie ich schon in früheren Beiträgen erinnert habe, schrieb Noe Jordania, der erste demokratisch gewählte Premierminister Georgiens das Folgende über Europa:

“Die europäische Gesellschaft ist müde, sie fühlt nicht mit dem Schmerz der anderen, sie erkennt den Schmerz der anderen nicht mal und sie kümmert sich nur um eine Sache: Unter ihresgleichen zu sein, friedlich, ohne Sorgen.»

Nun könnte man denken, dass die Schrecken durch die totalitären Ideologien des zwanzigsten Jahrhunderts die Europäer eines Besseren belehrt hätten, doch dem ist offensichtlich nicht so. Man lässt Putin auf der Krim, im Donbass und anderswo gewähren. Es ist deshalb kaum überraschend, dass sich auch der Teekessel-Diktator vom Bosporus, Recep Tayyip Erdogan und die Mullahs von Teheran dazu ermutigt fühlen, mit ihrer chauvinistischen und imperialistischen Politik fortzufahren, wie die letzten Wochen gezeigt haben. Man denke nur an den Abschuss des ukrainischen Flugzeugs durch Revolutionsgarden und Erdogans kleines osmanisches Abenteuer in Libyen. Überall dort, wo die Zivilisation zurückweicht, gedeiht Regression und es ist besonders bitter, dass dies in den oben genannten Fällen auf europäischem Boden geschieht. Und es ist nochmals so schlimm, weil dies kaum jemanden in West- und Mitteleuropa interessiert. Stattdessen echauffieren sich vermeintliche Menschenrechtsaktivisten darüber, was ein Hinterbänkler in Israel gesagt hat, oder wenn ein Mörder in den USA die Todesstrafe bekommt. Das trotz der Tatsache, das man für lau nach Minsk fliegen könnte, um dort gegen das Elend in der Kolchose-Diktatur zu protestieren, wenn man denn wollen würde, denn Minsk liegt nur zwei Flugstunden von Berlin entfernt.

Aber man tut es nicht: Denn wie immer gilt «No Jews No News». Und diese Indifferenz und Ignoranz kombiniert mit dem Wiedergänger des Antisemitismus lässt die Menschen östlich des Bugs und der Dnepr zu den Vergessenen Europas werden, die, obwohl der «Eiserne Vorhang» und die Sowjetunion nun längst Geschichte sind, immer noch unter Russlands mehr schlecht als recht kaschiertem Imperialismus und Chauvinismus leiden. Marx sagte einst, dass die Geschichte sich wiederholen würde: zuerst als Tragödie und dann als Farce. Es ist eine Schande, dass im 21. Jahrhundert eine solche vom Kreml orchestrierte Farce unwidersprochen zugelassen wird.

*Der Bug ist ein Fluss in Polen, der Ukraine und Belarus, der traditionell Grenze zwischen den Katholiken im Westen und den orthodoxen Christen im Osten war.

**Die Dnjepr ist der drittlängste Fluss Europas, der durch Russland, Belarus und die Ukraine fliesst.

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