Teheran droht mal wieder!

Geehrte Leser!

Am 26. März 2019 schrieb Ali Sadrzadeh im «Iran Journal» der «Deutschen Welle», dass der Vizepräsident des Ausschusses für nationale Sicherheit des Scheinparlaments des Regimes der Islamischen Republik, Abolfazl Hassan Beigi, damit drohte deutsche Diplomaten als Geiseln zu nehmen. Dies geschah bereits am 8. November 2018 in einem Interview, das der sogenannte «Hardliner» Beigi gegeben hat, und es ist interessant, wie wenig dieser Fakt hier in Europa im Allgemeinen und in Deutschland im Besonderen zur Kenntnis genommen wird. Da droht ein Vertreter des Mullahregimes damit, deutsche Diplomaten als Geiseln zu nehmen, eine Drohung der Ayatollahs, die man wegen der Geschichte der Geiselnehmerdiplomatie, wie zum Beispiel der berühmt-berüchtigten Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft, sehr ernst nehmen sollte und niemanden interessierts, wie mir scheint…

Viele naive Geister und Islam-Apologeten wundern sich darüber, dass Erben von gescheiterten Imperien, wie die Islamische Republik Iran und Erdogans Türkei nur am Katzentisch und nicht am Tisch der Zivilisationen sitzen dürfen.

Das hat einen einfachen Grund: Mit ihrer Geiselnehmerdiplomatie würden das Mullah- und AKP-Regime selbst kaltblütigen Gangstern die Schamröte ins Gesicht treiben. Mit ihr disqualifizieren sich Staaten, wie Erdogans Türkei und die Islamische Republik selber. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Es ist unerhört, wie hier iranische Politiker Diplomaten mit Geiselnahme drohen.

Im Übrigen bin ich nicht derselben Meinung, wie Herr Sadrzadeh: Denn wie oben schon geschrieben, gab es mehr als genug Fälle, in denen das Regime Geiseln nahm, um sein Gegenüber zu erpressen. Derzeit ist die britisch-iranische Staatsbürgerin und Mutter eines Kleinkinds, Nazanin Zaghari-Ratcliffe, Geisel des Mullahregimes. Die zahlreichen, aufgedeckten, versuchten Anschläge auf exil-iranische, jüdische und israelische Einrichtungen sind für mich, im Gegensatz zu Herr Sadrzadeh, ein Zeichen für die fehlenden Fähigkeiten des Regimes, Attentate erfolgreich durchzuführen, nicht für den fehlenden Willen. Der Fakt, dass das Regime durch seine Proxy, die Hisbollah, fähig war, den grössten Anschlag auf jüdische Zivilisten nach dem zweiten Weltkrieg, das AMIA-Attentat, durchzuführen, spricht für sich. Und die Tatsache, dass Herr Sadrzadeh in seinem Artikel, selber schreibt, dass sogenannte «Reformisten», wie Javad Zarif und Rohani keine Macht hätten und de facto nur Befehlsempfänger des obersten Religionsführers, Khameini, und der Pasdaran/ Revolutionsgarden seien, ist alles andere als beruhigend.

Dieses Elend, dass weiterhin von Europa im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen praktiziert wird und die USA vor den Kopf stösst, hat einen Namen: Rassismus der niederen Erwartungen. Diese niederen Erwartungen legt man an Staaten, wie die sogenannte «Islamische Republik Iran» und praktiziert deshalb wider jeden Verstand eine gescheiterte Politik gegenüber einem mörderischen Regime, das sich nicht davor scheut, Menschen am helllichten Tag an Baukränen zu erhängen, Terrorgruppen wie die Hisbollah und die Houthi im Jemen zu unterstützen, Israel mit der Vernichtung zu drohen und nun auch noch damit Diplomaten der Bundesrepublik Deutschland als Geiseln zu nehmen. Solange sich das Gegenüber nicht zum Salafismus, Al-Qaeda oder dem Islamischen Staat bekennt, ist man gewillt, weiterhin dem Rassismus der niederen Erwartungen zu frönen und weiterhin gute Mine zum bösen Spiel zu machen.

Die  Lektüre von Herrn Sadrzadehs Artikel hat mich in meiner Meinung bestärkt, wonach der sogenannte «kritische Dialog» nur noch moralische Prostitution ist, der nicht nur Juden und Exil-Iraner weltweit gefährdet, sondern nun auch auch deutsche Diplomaten im Iran und eventuell gar nichtsahnende Reisende aus deutschsprachigen Ländern. Wenn es nach mir ginge, würde ich diesen nutzlosen Dialog deshalb auf Eis legen, wie ich es mit meinem Rosé zu tun pflege, und stattdessen das Mullahregime so zu sanktionieren, dass ihm der Vertrag/ Friede von Golestan, wie ein Geschenk des Himmels erscheint. Erst wenn es sichtbare Fortschritte, wie das Freilassen der Geiseln und politischen Gefangenen, wie Narges Mohammadi, der Mullahdiktatur gibt, kann man wieder darüber nachdenken, Gespräche mit Teheran zu führen.  Denn es gibt eine Zeit des Dialogs und eine Zeit, in der man zu handeln hat, und offensichtlich hat die jetzige Politik gegenüber dem Mullahregime nur dazu geführt, dass diese Ayatollahs und ihre Proxies noch unverschämter geworden sind, wie die Tatsache beweist, dass der oben genannte Abolfazl Hassan Beigi, so schamlos, wie eine Strassen-Dirne, damit drohte deutsche Diplomaten als Geiseln zu nehmen. So lange man nicht endlich effektiv handelt, wird das Regime der Mullahs Europa weiter als Papiertiger wahrnehmen und weiterhin Geiselnehmerdiplomatie betreiben.

Die antiklerikale, iranische Opposition: Ein Lagebericht

Geehrte Leser!

Schon vor einiger Zeit schrieb ich einen Bericht, der sich mit dem Zustand der antiklerikalen, iranischen Opposition im angelsächsischen und im deutschsprachigen Raum befasste. Nun, da das Regime und seine Anhänger das vierzigjährige Jubiläum der islamischen Revolution feierten, ist es meiner Meinung an der Zeit, wieder einen Blick darauf zu werfen, wie es um die antiklerikalen Oppositionellen steht. Besonders, da mein vorheriger Bericht hart mit diesen Oppositionellen ins Gericht ging.

Was hat sich seitdem verändert? Nun, im Jahr 2018 rollte eine riesige Protestwelle über die Islamische Republik. Sowohl kurdische Umweltschützer, wie auch streikende Arbeiter in der «Haft Tappeh» Zuckerfabrik in Susch, im Süd-Iran, wie auch Studenten an den verschiedenen Universitäten von Teheran drückten ihr Missfallen über die Existenz der sogenannten Statthalterschaft der Rechtsgelehrten und den obersten Religionsführer Khameini aus. Und die antiklerikale Opposition im Exil, was tat die? Diese Opposition versuchte, die Protestierenden im Iran, so gut es eben ging zu unterstützen und schloss sich nun zu einem Netzwerk, namens «Farshgard»/ «Iran Revival» zusammen, das primär in Sozialen Netzwerken wie «Twitter» aktiv ist. Damit hat es sich im Grossen und Ganzen.

In meinem letzten Bericht schrieb ich darüber, dass der iranischen Opposition Führungspersönlichkeiten fehlen. Auch hier tat sich kaum etwas, denn entweder sind die Frauen, die man als «Salz der Erde» bezeichnen könnte, wie Narges Mohammadi und Nasrin Sotoudeh im Gefängnis, oder man hofft darauf, dass der Kronprinz, seine Hoheit Reza Pahlavi, aus dem amerikanischen Exil zurückkehrt. Daneben habe ich Vorschläge für das Amt eines Präsidenten, gehört, die absolut unrealistisch und bizarr waren, wie die Sängerin Googoosh, den Komiker Kamran Atabaki und den jetzigen, israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu. Ja, die Iraner sind verzweifelt und ich merke es, auch und gerade deshalb, wenn Jugendliche aus dem Iran zum Grab von Kyros dem Zweiten pilgern, in der Hoffnung, dass dieser a` la Dracula nach Sonnenuntergang von den Toten auferstehen und dem Mullahregime den Gar ausmachen würde. Wie man sieht, hat sich bezüglich einer passablen Führungspersönlichkeit wenig getan, seit meinem letzten Bericht.

Auch in Bezug auf regressive Elemente innerhalb der iranischen, antiklerikalen Opposition muss, meiner Ansicht nach, ein Augenmerk gerichtet werden. Damit beziehe ich mich auf die langsame Infiltration von Personen, die Organisationen, wie den Volksmujaheddin nahestehen und deshalb in andere oppositionelle Netzwerke, in parasitärer Manier, eindringen. Etwas, das mir nicht bewusst war und das mich im letzten Jahr extrem hart getroffen hat, ist der Irredentismus innerhalb der Exil-iranischen Gemeinschaft und besonders der antiklerikalen Opposition. Mir ist bewusst geworden, dass dieser Irredentismus für viele iranische Oppositionelle ein säkularer Religionsersatz ist, eine Art Trost für das Leben im unfreiwilligen Exil, doch trotzdem treffen mich die Morddrohungen und auch die generelle Dehumanisierung von Nicht-Iranern aus diesem Umfeld sehr.

Ein paar Beispiele:

  • Einmal beschimpfte mich ein Exiliraner als «Vatanforoosh» (dt: Landesverräter) und «dirty gorji» (dt: dreckige Georgierin) und drohte mir damit, meine Kehle durchzuschneiden.
  • Ein anderes Mal beschimpfte man mich als «bisharaf» (dt: ehrlos), «dirty Tork» (dt: dreckige Türkin), als «lower than Malakhor (dt: Heuschreckenfresser*), lower than animals» und wieder als Landesverräterin und drohte mir damit, meine Leichenteile an Hunde zu verfüttern.
  • Wieder ein anderes Mal, wurde mir damit gedroht mich mit dem gleichen Strick zu erhängen, wie Khameini, weil ich als «dirty gorji» keinen eigenen Strick verdienen würde. Des Weiteren drohte man mir, dass man das Werk von Mohammad Agha Khan vollenden würde.

Das alles nur deshalb, weil ich georgischer Herkunft bin und für mich die Unabhängigkeit Georgiens nicht zur Disposition steht, d.h. ich bin gegen eine Okkupation Georgiens von Seiten Russlands, der Türkei oder des Irans. Natürlich ist mir bewusst, dass nicht alle Iraner verkappte Irredentisten sind, doch die Tatsache, dass dem Treiben dieser Gestalten innerhalb der antiklerikalen Opposition nichts entgegensetzt wird, beunruhigt mich sehr. Insgesamt lässt sich sagen, dass solcher Chauvinismus regressives Verhalten begünstigt und dafür sorgt, dass das Henkerregime zu Teheran von der Unfähigkeit der Opposition, in einem unglaublichen Mass, profitiert. Das Henkerregime der Mullahs, das keinerlei demokratische oder moralische Legitimität besitzt, um über den Iran zu herrschen, profitiert auch von der Tatsache, dass grosse Teile der iranischen Diaspora, in den letzten Jahren, sehr unpolitisch oder gar opportunistisch sind. Oder wie «Iran Journal» am 11. Februar 2019, im Artikel «40 Jahre iranische Revolution: 40 Jahre Flucht und Vertreibung» schrieb: Die meisten Iraner, die heute in den Westen kommen,  sind unpolitische Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen das Land verlassen und sich im Westen ein besseres Leben erhoffen. Diese Leute denken zuerst an die Karriere und daran, ob eine politische Karriere für sie Nachteile haben könnte. Ausserdem arbeiten sie daraufhin schnellstens eingebürgert zu werden, um zwischen dem Iran und dem Westen hin- und herfliegen zu können. Die tatsächlichen Oppositionellen können das bis heute nicht. Und genau diese Melange aus Opportunismus, Irredentismus und anderem regressiven Verhalten ist es, die das Mullahregime am Leben hält, trotz allem. Summa summarum ist es der erbärmliche Zustand der Opposition, der die Statthalterschaft der Gelehrten immer noch zementiert. Und das ist die Tragödie, denn wie ich schon in meinem früheren Bericht schrieb: Der Iran hat, für einen Staat in der MENA-Region, eine, halbwegs funktionierende, fortschrittliche Zivilgesellschaft. Das sind gute Omen für eine weitere Demokratisierung. Wie auch die Tatsache, dass der oberste Religionsführer des Irans und der ganze Apparat des Regimes, im Gegensatz zu Erdogan in der Türkei und dem FSB-Apparatschik in Russland, nicht demokratisch legitimiert ist.

*Wörtlich bedeutet «Malakhor» auf Persisch «Heuschreckenfresser», gemeint sind damit aber Araber.